Hormezd_Schreiber_Silag
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
© Dr. Ursula Weber - 22.10.2022 C Seite 1/4
Vorwort Abkürzungsverzeichnis Personenregister Orts- und Sachregister
Griechisches Wörterverzeichnis Karte des Sāsānidenreiches
NPi I: Introduction NPi II a: Main part a NPi II b: Main part b NPi III: Conclusion
ŠKZ I: Genealogie ŠKZ II: Hofstaat Pābags ŠKZ III: Hofstaat Ardašīrs I.
ŠKZ IV: Hofstaat Šābuhrs I. ŠKZ V: Frauen
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šīlag
[ŠKZ paI 30]
B:
ŠKZ: paI 30: dstnypyk ZNE LY ʼhwrmzd SPRA šylk SPRA BRY = Dast nibēg im man Hormezd dibīr
Šīlag dibīr puhr. Übers.: Dies (ist) von meiner Hand niedergeschrieben (worden, von) Hormezd, dem
Schreiber, dem Sohn des Šīlag, des Schreibers.
P:
Der Schreiber Hormezd1, Sohn des Šīlag, des Schreibers2, ist der dritte Vertreter
des Kanzleiwesens unter →Šābuhr I. Ihm war die Aufgabe übertragen worden, die
parthische Übersetzung des mittelpersisch abgefassten Originaltextes niederzu-
schreiben. Hormezd war also nicht nur als Schreiber tätig, sondern trug auch die
Verantwortung für Übersetzungen aus dem Mittelpersischen in die zweite Staats-
sprache, das Parthische: "Dast nibēg im man Hormezd dibīr Šilag dibīr puhr = Dies
(ist) von meiner Hand niedergeschrieben (worden, von) Hormezd, dem Schreiber,
dem Sohn des Šīlag, des Schreibers"3. Mit diesem Kolophon endet die parthische
Version der Šābuhr-Inschrift, während sich die Schreiber der mittelpersischen und
griechischen Versionen nicht zu erkennen geben. Dass es sich hier um eine eigen-
mächtige Vorgehensweise des Hormezd handeln könnte, ist schwer vorstellbar.
Auch von der Inschrift des mowbed →Kerdīr [ŠKZ IV 51] in Naqš-i Rǎǰab ist die
gleiche Verhaltensweise des Schreibers bekannt: Hier lautet der Text des Kolophons:
"nipišt būhtak dipīr kartīr ē hwatāy = Written (by) Bokhtak [→Bōxtag] the scribe (of)
Kartīr the lord"4. Hervorzuheben ist jedoch, dass Šābuhr I. den für die Übersetzung
von offiziellen Staatsinschriften eingesetzten Hormezd nicht unter den Würdenträ-
gern seines Hofes einreihte, für die er ein Opfer stiftete. Hormezds Dienst im königli-
chen Kanzleiwesen beweist sein Namenszug unter der parthischen Übersetzung der
1 Zum Namen: F.Justi, Iranisches Namenbuch (1895) 7f.: s.v. Ahura-mazdāh. - M.Back, SSI (1978)
194, Nr. 63a. - Ph.Gignoux, Glossaire (1972) 45. - id., Noms propres sassanides en moyen-perse
épigraphique (1986) 98, Nr. 448. - Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 63-64: § 51; 2(1999) 180.
2 H.H.Schaeder, Esra der Schreiber (1930) 47f. - A.Tafazzoli, Dabīr. I. In the pre-Islamic Period. In:
EncIr VI,5(1993) 534-537. - E.Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutio-
nen (1998) 159ff. - Allgemeines zum Amt des Schreibers →Mard [ŠKZ III 18].
3 Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 63f. - M.Mancini, Bilingui greco-iraniche in epoca sasanide. In: Bilinguismo
e biculturalismo nel mondo antico. Atti del Colloquio interdisciplinare tenuto a Pisa, 1987. Pisa (1988)
92, Anm. 56. - Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 63f. - A.Tafazzoli, Sasanian Society: I. Warriors. II. Scribes.
III. Dehqāns (2000) 18-37; 23.
4 R.N.Frye, The Middle Persian Inscription of Kartīr at Naqš-i Rajab. In: IIJ 8(1965) 211-225; insbes.
219].
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
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Šābuhr-Inschrift; gleichzeitig ist er ein Hinweis für sein Wirken, das zeitgleich mit der
Fertigstellung der Inschrift in den Jahren 262/63 n.Chr. anzusetzen ist.
Nähere Erkenntnisse zur Person des Hormezd liefert sein Epitheton "Sohn des
Schreibers Šīlag". Dass Vertreter des Kanzleiwesens aus Familien stammten, in de-
nen der Beruf des Schreibers von Generation zu Generation weitergegeben wurde,
geht auf eine Jahrhunderte alte Tradition in Ägypten und Vorderasien zurück. Offen-
sichtlich wurde diese Tradition auch im Sāsānidenreich gepflegt, für die zwei der drei
unter Šābuhr I. bekannt gewordenen Schreiber5 beispielhaft sind.
Welche Aufgaben Hormezd bei der Redaktion der Šābuhr-Inschrift übernommen
hat, ist von einigen Forschern kontrovers diskutiert worden. Desungeachtet ist eine
endgültige Klärung des Kernproblems, die Frage nach der Originalfassung und ihre
Bedeutung als Vorlage für die beiden anderen Versionen der Šābuhr-Inschrift, noch
nicht erreicht. Die Verdienste, die nach Meinung einiger Forscher Hormezd zuzu-
schreiben sind, sollen im Folgenden kurz skizziert werden.
W.B.Henning geht davon aus, dass Hormezd eine Kopie der mittelpersischen Origi-
nalfassung für seine Übersetzung in die zweite Staatssprache der Sāsāniden vorge-
legen habe. M.Back dagegen spricht sich für eine selbständigere Tätigkeit des
Schreibers Hormezd aus: danach habe er den Text der ihm vorliegenden Kopie der
Originalfassung neu redigiert. Dies sei auch der Grund gewesen, warum Hormezd
recht selbstbewusst seine Leistung in einem Kolophon festgehalten habe. Z.Rubin
geht in der Bewertung von Hormezds redaktioneller Tätigkeit sogar noch weiter. Er
erkennt in Hormezd den alleinigen Redaktor aller drei Versionen der Šābuhr-Inschrift.
Ob drei, zwei oder nur ein Schreiber an der Redaktion der Šābuhr-Inschrift beteiligt
waren, wird trotz intensiver philologischer Forschung kaum endgültig zu klären sein6.
5 →Hormezd, dibīrbed, Sohn des dibīrbed Hormezd [ŠKZ IV 46] und der oben besprochene Namens-
vetter.
6 Es ist hier nicht der Ort, ausführlich über das "gegenseitige Verhältnis der drei Fassungen" der
Šābuhr-Inschrift zu berichten. Es sei auf Ph.Huyse verwiesen, der sich eingehend mit dieser Proble-
matik beschäftigt hat: Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 189-201. - Zuletzt id., Les provinces romaines dans la
grande inscription trilingue de Šābuhr Ier sur la Kaʻba-ye Zardošt. In: La <crise> de l'empire romain de
Marc Aurèle à Constantin. Mutations, continuités, ruptures (2006) 308-328; hier 312-322; zum Schrei-
ber Hormezd, Sohn des Šīlag s. 317f.
Eine Skizze des Forschungsstandes wird nachfolgend gegeben:
M.Sprengling hält die parthische Version der Šābuhr-Inschrift für das Originalmanuskript, das auch als
einzige Version das Kolophon des Schreibers Hormezd trägt [From Kartīr to Shahpuhr I (1940) 331f. -
id., Third Century Iran. Sapor and Kartir (1953) 2; 21].
W.B.Henning ist dagegen der Meinung, dass es sich bei der mittelpersischen Version, der offiziellen
Sprache des Sāsānidenreiches, um die Originalfassung handelt. Von dieser Originalfassung habe
dem Schreiber Hormezd eine Kopie vorgelegen, nach der er seine parthische Übersetzung anfertigte.
Für die griechische Version der Šābuhr-Inschrift habe dieselbe Kopie der Originalfassung vorgelegen.
[A Farewell to the Khagan of the Aq-Aqatärān. In: BSOAS 14(1952) 501-522; insbes. 513f. - Ebenf.
abgedr. in: W.B.Henning, Selected Papers. Leiden, Téhéran 2(1977) 387-408; insbes. 399f. (A-
cIr.15.)].
A.Maricq teilt W.B.Hennings Meinung, betont aber, dass es heute nicht mehr möglich sei, den ge-
meinsamen Archetypus aufzuspüren. [Res Gestae Divi Saporis. In: Syria 35(1958) 295-360; insbes.
297f. - Ebenf. abgedr. in: Classica et Orientalia. Paris (1965) 37-101; insbes. 39f. (Institut Français
d'Archéologie de Beyrouth. Publication hors série.11.)].
M.Back geht davon aus, dass von der Originalfassung in mittelpersischer Sprache zwei Kopien in
mittelpersischer Kursivschrift erstellt wurden. Die eine Kopie sei an die "Steinmetzabteilung" für die
mittelpersische Version gegangen, die andere habe die "parthische Abteilung" der Staatskanzlei erhal-
ten. M.Back ist der Meinung, dass der Schreiber Hormezd den Text neu redigiert und diese Tätigkeit
demzufolge in seinem Kolophon ausdrücklich erwähnt habe. Damit billigt er dem Schreiber eine große
Selbständigkeit zu und wertet seine Bedeutung als Übersetzer der parthischen Version auf. Weiter
nimmt M.Back an, dass von diesem parthischen Text eine Übersetzung ins Griechische gemacht wä-
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
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L:
Quellen:
ŠKZ: M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran 1978. (Acta Iranica.18.) -
Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 1-2. London 1999.
(Corpus Inscriptionum Iranicarum.P. III, 1, 1,1-2.)
Namen:
F.Justi, Iranisches Namenbuch. Marburg (1895) 7f.. - Repr. Hildesheim 1963. - Ph.Gignoux, Glos-
saire des inscriptions pehlevies et parthes. London (1972) 45.(Corpus Inscriptionum Iranicarum.
Supplementary Series.I) - M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran
(1978) 194, Nr. 63a. (Acta Iranica.18.) - Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der
Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 2. London (1999) 180. (Corpus Inscriptionum Iranicarum.P. III, 1, 1,2.)
Amt:
H.H.Schaeder, Esra, der Schreiber. Tübingen (1930) 47f.(Beiträge zur historischen Theologie.5.) -
Ebenf. abgedr. in: H.H.Schaeder, Studien zur orientalischen Religionsgeschichte. Hrsg. von C.Colpe.
Darmstadt 1968. - A.Tafazzoli, Dabīr. I. In the pre-Islamic Period. In: Encyclopaedia Iranica
VI,5(1993) 534-537. - E.Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutionen
nach den literarischen und epigraphischen Quellen. 3.Jh. v.Chr. - 7.Jh n.Chr. Jerewan (1998) 159ff. -
A.Tafazzoli, Sasanian Society: I. Warriors. II. Scribes. III. Dehqāns. New York (2000) 18-37; hier
23.(Ehsan Yarshater Distinguished Lectures in Iranian Studies.1.)
Zur Redaktionsgeschichte der Šābuhr-Inschrift:
M.Sprengling, From Kartīr to Shahpuhr I. In: American Journal of Semitic Languages and Literatures
57(1940) 330-340; insbes. 331. - W.B.Henning, A Farewell to the Khagan of the Aq-Aqatärān. In:
Bulletin of the School of Oriental and African Studies 14(1952) 501-522; insbes. 513f. - Ebenf.
abgedr. in: W.B.Henning, Selected Papers. Leiden, Téhéran 2(1977) 387-408; insbes. 399f. (Acta
Iranica.15.) - M.Sprengling, Third Century Iran. Sapor and Kartir. Chicago (1953) 2. - A.Maricq, Res
Gestae Divi Saporis. In: Syria 35(1958) 295-360; insbes. 297f. - Ebenf. abgedr. in: Classica et Orien-
talia. Paris (1965) 37-101; insbes. 39f. (Institut Français d'Archéologie de Beyrouth. Publication hors
série.11.) - M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran (1978) 147-149.
(Acta Iranica.18.) - D.J.MacDonald, The Genesis of the "Res Gestae Divi Saporis". In: Berytus
27(1979) 77-83; insbes. 83. - M.Mancini, Bilingui greco-iraniche in epoca sasanide. Il Testo di Šāh-
puhr alla Kaʻba-yi Zardušt. In: Bilinguismo e biculturalismo nel mondo antico. Atti del Colloquio interdi-
sciplinare tenuto a Pisa, 1987. Pisa (1988) 75-99; insbes. 91f.; 92 Anm. 56. - Ph.Huyse, Die dreispra-
chige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 2. London (1999) 189-201.(Corpus Inscrip-
tionum Iranicarum.P. III, 1, 1,2.) - Z.Rubin, Res Gestae Divi Saporis: Greek and Middle Iranian in a
Document of Sasanian anti-Roman Propaganda. In: Bilingualism in Ancient Society. Language Con-
re. [SSI (1978) 147-149.]
Auch D.J.MacDonald hält am Mittelpersischen als der Originalsprache der Šābuhr-Inschrift fest. Er ist
der Meinung, dass die mittelpersische Originalfassung in mittelpersischer Kursivschrift nicht mehr
fassbar sei und keine der drei Versionen eine größere Bedeutung als die jeweils andere habe. [The
Genesis of the "Res Gestae Divi Saporis". In: Berytus 27(1979) 77-83; insbes. 83].
M.Mancini vertritt die Meinung, dass der griechischen Version der Šābuhr-Inschrift nur die mittelpersi-
sche Version als Vorlage gedient habe. Daraus folgert er, dass sowohl der griechische als auch der
parthische Übersetzer unabhängig voneinander vorgegangen sei. [Bilingui greco-iraniche in epoca
sasanide. In: Bilinguismo e biculturalismo nel mondo antico. Atti del Colloquio interdisciplinare tenuto a
Pisa (1987[1988]) 75-99; insbes. 91f.; 92, Anm. 56.].
Ph.Huyse, der Herausgeber der Šābuhr-Inschrift, kommt zu dem Schluss, dass die Originalfassung
der Inschrift in der Staatssprache des Sāsānidenreiches, dem Mittelpersischen, zu suchen sei. Von
dieser Originalfassung seien zwei mittelpersische Kopien in mittelpersischer Kursivschrift angefertigt
worden. Die erste Kopie habe als Vorlage für den Steinmetzen der mittelpersischen Version der In-
schrift gedient, die zweite habe Hormezd für seine Übersetzung ins Parthische gedient. Die griechi-
sche Version gehe auf eine parthische Vorlage zurück. [ŠKZ 2(1999) 191-201].
Zuletzt hat sich Z.Rubin zu diesem schwierigen Problem geäußert. Z.Rubin hält Hormezd für den al-
leinigen Redaktor aller drei Versionen der Šābuhr-Inschrift. [Res Gestae Divi Saporis: Greek and Mid-
dle Iranian in a Document of Sasanian anti-Roman Propaganda (2002) 267-297; insbes. 274; 276-
277].
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
© Dr. Ursula Weber - 22.10.2022 C Seite 4/4
tact and Written Text. Ed. by J.N.Adams, M.Janse and S.Swain. Oxford (2002) 267-297; insbes. 274f.
- Ph.Huyse, Les provinces romaines dans la grande inscription trilingue de Šābuhr Ier sur la Kaʻba-ye
Zardošt. In: La " crise » de l'empire romain de Marc Aurèle à Constantin. Mutations, continuités, rup-
tures. M.-H. Quet (dir.). Paris (2006) 308-328; hier 317f.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
© Dr. Ursula Weber - 22.10.2022 C Seite 1/4
Vorwort Abkürzungsverzeichnis Personenregister Orts- und Sachregister
Griechisches Wörterverzeichnis Karte des Sāsānidenreiches
NPi I: Introduction NPi II a: Main part a NPi II b: Main part b NPi III: Conclusion
ŠKZ I: Genealogie ŠKZ II: Hofstaat Pābags ŠKZ III: Hofstaat Ardašīrs I.
ŠKZ IV: Hofstaat Šābuhrs I. ŠKZ V: Frauen
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šīlag
[ŠKZ paI 30]
B:
ŠKZ: paI 30: dstnypyk ZNE LY ʼhwrmzd SPRA šylk SPRA BRY = Dast nibēg im man Hormezd dibīr
Šīlag dibīr puhr. Übers.: Dies (ist) von meiner Hand niedergeschrieben (worden, von) Hormezd, dem
Schreiber, dem Sohn des Šīlag, des Schreibers.
P:
Der Schreiber Hormezd1, Sohn des Šīlag, des Schreibers2, ist der dritte Vertreter
des Kanzleiwesens unter →Šābuhr I. Ihm war die Aufgabe übertragen worden, die
parthische Übersetzung des mittelpersisch abgefassten Originaltextes niederzu-
schreiben. Hormezd war also nicht nur als Schreiber tätig, sondern trug auch die
Verantwortung für Übersetzungen aus dem Mittelpersischen in die zweite Staats-
sprache, das Parthische: "Dast nibēg im man Hormezd dibīr Šilag dibīr puhr = Dies
(ist) von meiner Hand niedergeschrieben (worden, von) Hormezd, dem Schreiber,
dem Sohn des Šīlag, des Schreibers"3. Mit diesem Kolophon endet die parthische
Version der Šābuhr-Inschrift, während sich die Schreiber der mittelpersischen und
griechischen Versionen nicht zu erkennen geben. Dass es sich hier um eine eigen-
mächtige Vorgehensweise des Hormezd handeln könnte, ist schwer vorstellbar.
Auch von der Inschrift des mowbed →Kerdīr [ŠKZ IV 51] in Naqš-i Rǎǰab ist die
gleiche Verhaltensweise des Schreibers bekannt: Hier lautet der Text des Kolophons:
"nipišt būhtak dipīr kartīr ē hwatāy = Written (by) Bokhtak [→Bōxtag] the scribe (of)
Kartīr the lord"4. Hervorzuheben ist jedoch, dass Šābuhr I. den für die Übersetzung
von offiziellen Staatsinschriften eingesetzten Hormezd nicht unter den Würdenträ-
gern seines Hofes einreihte, für die er ein Opfer stiftete. Hormezds Dienst im königli-
chen Kanzleiwesen beweist sein Namenszug unter der parthischen Übersetzung der
1 Zum Namen: F.Justi, Iranisches Namenbuch (1895) 7f.: s.v. Ahura-mazdāh. - M.Back, SSI (1978)
194, Nr. 63a. - Ph.Gignoux, Glossaire (1972) 45. - id., Noms propres sassanides en moyen-perse
épigraphique (1986) 98, Nr. 448. - Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 63-64: § 51; 2(1999) 180.
2 H.H.Schaeder, Esra der Schreiber (1930) 47f. - A.Tafazzoli, Dabīr. I. In the pre-Islamic Period. In:
EncIr VI,5(1993) 534-537. - E.Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutio-
nen (1998) 159ff. - Allgemeines zum Amt des Schreibers →Mard [ŠKZ III 18].
3 Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 63f. - M.Mancini, Bilingui greco-iraniche in epoca sasanide. In: Bilinguismo
e biculturalismo nel mondo antico. Atti del Colloquio interdisciplinare tenuto a Pisa, 1987. Pisa (1988)
92, Anm. 56. - Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 63f. - A.Tafazzoli, Sasanian Society: I. Warriors. II. Scribes.
III. Dehqāns (2000) 18-37; 23.
4 R.N.Frye, The Middle Persian Inscription of Kartīr at Naqš-i Rajab. In: IIJ 8(1965) 211-225; insbes.
219].
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
© Dr. Ursula Weber - 22.10.2022 C Seite 2/4
Šābuhr-Inschrift; gleichzeitig ist er ein Hinweis für sein Wirken, das zeitgleich mit der
Fertigstellung der Inschrift in den Jahren 262/63 n.Chr. anzusetzen ist.
Nähere Erkenntnisse zur Person des Hormezd liefert sein Epitheton "Sohn des
Schreibers Šīlag". Dass Vertreter des Kanzleiwesens aus Familien stammten, in de-
nen der Beruf des Schreibers von Generation zu Generation weitergegeben wurde,
geht auf eine Jahrhunderte alte Tradition in Ägypten und Vorderasien zurück. Offen-
sichtlich wurde diese Tradition auch im Sāsānidenreich gepflegt, für die zwei der drei
unter Šābuhr I. bekannt gewordenen Schreiber5 beispielhaft sind.
Welche Aufgaben Hormezd bei der Redaktion der Šābuhr-Inschrift übernommen
hat, ist von einigen Forschern kontrovers diskutiert worden. Desungeachtet ist eine
endgültige Klärung des Kernproblems, die Frage nach der Originalfassung und ihre
Bedeutung als Vorlage für die beiden anderen Versionen der Šābuhr-Inschrift, noch
nicht erreicht. Die Verdienste, die nach Meinung einiger Forscher Hormezd zuzu-
schreiben sind, sollen im Folgenden kurz skizziert werden.
W.B.Henning geht davon aus, dass Hormezd eine Kopie der mittelpersischen Origi-
nalfassung für seine Übersetzung in die zweite Staatssprache der Sāsāniden vorge-
legen habe. M.Back dagegen spricht sich für eine selbständigere Tätigkeit des
Schreibers Hormezd aus: danach habe er den Text der ihm vorliegenden Kopie der
Originalfassung neu redigiert. Dies sei auch der Grund gewesen, warum Hormezd
recht selbstbewusst seine Leistung in einem Kolophon festgehalten habe. Z.Rubin
geht in der Bewertung von Hormezds redaktioneller Tätigkeit sogar noch weiter. Er
erkennt in Hormezd den alleinigen Redaktor aller drei Versionen der Šābuhr-Inschrift.
Ob drei, zwei oder nur ein Schreiber an der Redaktion der Šābuhr-Inschrift beteiligt
waren, wird trotz intensiver philologischer Forschung kaum endgültig zu klären sein6.
5 →Hormezd, dibīrbed, Sohn des dibīrbed Hormezd [ŠKZ IV 46] und der oben besprochene Namens-
vetter.
6 Es ist hier nicht der Ort, ausführlich über das "gegenseitige Verhältnis der drei Fassungen" der
Šābuhr-Inschrift zu berichten. Es sei auf Ph.Huyse verwiesen, der sich eingehend mit dieser Proble-
matik beschäftigt hat: Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 189-201. - Zuletzt id., Les provinces romaines dans la
grande inscription trilingue de Šābuhr Ier sur la Kaʻba-ye Zardošt. In: La <crise> de l'empire romain de
Marc Aurèle à Constantin. Mutations, continuités, ruptures (2006) 308-328; hier 312-322; zum Schrei-
ber Hormezd, Sohn des Šīlag s. 317f.
Eine Skizze des Forschungsstandes wird nachfolgend gegeben:
M.Sprengling hält die parthische Version der Šābuhr-Inschrift für das Originalmanuskript, das auch als
einzige Version das Kolophon des Schreibers Hormezd trägt [From Kartīr to Shahpuhr I (1940) 331f. -
id., Third Century Iran. Sapor and Kartir (1953) 2; 21].
W.B.Henning ist dagegen der Meinung, dass es sich bei der mittelpersischen Version, der offiziellen
Sprache des Sāsānidenreiches, um die Originalfassung handelt. Von dieser Originalfassung habe
dem Schreiber Hormezd eine Kopie vorgelegen, nach der er seine parthische Übersetzung anfertigte.
Für die griechische Version der Šābuhr-Inschrift habe dieselbe Kopie der Originalfassung vorgelegen.
[A Farewell to the Khagan of the Aq-Aqatärān. In: BSOAS 14(1952) 501-522; insbes. 513f. - Ebenf.
abgedr. in: W.B.Henning, Selected Papers. Leiden, Téhéran 2(1977) 387-408; insbes. 399f. (A-
cIr.15.)].
A.Maricq teilt W.B.Hennings Meinung, betont aber, dass es heute nicht mehr möglich sei, den ge-
meinsamen Archetypus aufzuspüren. [Res Gestae Divi Saporis. In: Syria 35(1958) 295-360; insbes.
297f. - Ebenf. abgedr. in: Classica et Orientalia. Paris (1965) 37-101; insbes. 39f. (Institut Français
d'Archéologie de Beyrouth. Publication hors série.11.)].
M.Back geht davon aus, dass von der Originalfassung in mittelpersischer Sprache zwei Kopien in
mittelpersischer Kursivschrift erstellt wurden. Die eine Kopie sei an die "Steinmetzabteilung" für die
mittelpersische Version gegangen, die andere habe die "parthische Abteilung" der Staatskanzlei erhal-
ten. M.Back ist der Meinung, dass der Schreiber Hormezd den Text neu redigiert und diese Tätigkeit
demzufolge in seinem Kolophon ausdrücklich erwähnt habe. Damit billigt er dem Schreiber eine große
Selbständigkeit zu und wertet seine Bedeutung als Übersetzer der parthischen Version auf. Weiter
nimmt M.Back an, dass von diesem parthischen Text eine Übersetzung ins Griechische gemacht wä-
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
© Dr. Ursula Weber - 22.10.2022 C Seite 3/4
L:
Quellen:
ŠKZ: M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran 1978. (Acta Iranica.18.) -
Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 1-2. London 1999.
(Corpus Inscriptionum Iranicarum.P. III, 1, 1,1-2.)
Namen:
F.Justi, Iranisches Namenbuch. Marburg (1895) 7f.. - Repr. Hildesheim 1963. - Ph.Gignoux, Glos-
saire des inscriptions pehlevies et parthes. London (1972) 45.(Corpus Inscriptionum Iranicarum.
Supplementary Series.I) - M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran
(1978) 194, Nr. 63a. (Acta Iranica.18.) - Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der
Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 2. London (1999) 180. (Corpus Inscriptionum Iranicarum.P. III, 1, 1,2.)
Amt:
H.H.Schaeder, Esra, der Schreiber. Tübingen (1930) 47f.(Beiträge zur historischen Theologie.5.) -
Ebenf. abgedr. in: H.H.Schaeder, Studien zur orientalischen Religionsgeschichte. Hrsg. von C.Colpe.
Darmstadt 1968. - A.Tafazzoli, Dabīr. I. In the pre-Islamic Period. In: Encyclopaedia Iranica
VI,5(1993) 534-537. - E.Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutionen
nach den literarischen und epigraphischen Quellen. 3.Jh. v.Chr. - 7.Jh n.Chr. Jerewan (1998) 159ff. -
A.Tafazzoli, Sasanian Society: I. Warriors. II. Scribes. III. Dehqāns. New York (2000) 18-37; hier
23.(Ehsan Yarshater Distinguished Lectures in Iranian Studies.1.)
Zur Redaktionsgeschichte der Šābuhr-Inschrift:
M.Sprengling, From Kartīr to Shahpuhr I. In: American Journal of Semitic Languages and Literatures
57(1940) 330-340; insbes. 331. - W.B.Henning, A Farewell to the Khagan of the Aq-Aqatärān. In:
Bulletin of the School of Oriental and African Studies 14(1952) 501-522; insbes. 513f. - Ebenf.
abgedr. in: W.B.Henning, Selected Papers. Leiden, Téhéran 2(1977) 387-408; insbes. 399f. (Acta
Iranica.15.) - M.Sprengling, Third Century Iran. Sapor and Kartir. Chicago (1953) 2. - A.Maricq, Res
Gestae Divi Saporis. In: Syria 35(1958) 295-360; insbes. 297f. - Ebenf. abgedr. in: Classica et Orien-
talia. Paris (1965) 37-101; insbes. 39f. (Institut Français d'Archéologie de Beyrouth. Publication hors
série.11.) - M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran (1978) 147-149.
(Acta Iranica.18.) - D.J.MacDonald, The Genesis of the "Res Gestae Divi Saporis". In: Berytus
27(1979) 77-83; insbes. 83. - M.Mancini, Bilingui greco-iraniche in epoca sasanide. Il Testo di Šāh-
puhr alla Kaʻba-yi Zardušt. In: Bilinguismo e biculturalismo nel mondo antico. Atti del Colloquio interdi-
sciplinare tenuto a Pisa, 1987. Pisa (1988) 75-99; insbes. 91f.; 92 Anm. 56. - Ph.Huyse, Die dreispra-
chige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 2. London (1999) 189-201.(Corpus Inscrip-
tionum Iranicarum.P. III, 1, 1,2.) - Z.Rubin, Res Gestae Divi Saporis: Greek and Middle Iranian in a
Document of Sasanian anti-Roman Propaganda. In: Bilingualism in Ancient Society. Language Con-
re. [SSI (1978) 147-149.]
Auch D.J.MacDonald hält am Mittelpersischen als der Originalsprache der Šābuhr-Inschrift fest. Er ist
der Meinung, dass die mittelpersische Originalfassung in mittelpersischer Kursivschrift nicht mehr
fassbar sei und keine der drei Versionen eine größere Bedeutung als die jeweils andere habe. [The
Genesis of the "Res Gestae Divi Saporis". In: Berytus 27(1979) 77-83; insbes. 83].
M.Mancini vertritt die Meinung, dass der griechischen Version der Šābuhr-Inschrift nur die mittelpersi-
sche Version als Vorlage gedient habe. Daraus folgert er, dass sowohl der griechische als auch der
parthische Übersetzer unabhängig voneinander vorgegangen sei. [Bilingui greco-iraniche in epoca
sasanide. In: Bilinguismo e biculturalismo nel mondo antico. Atti del Colloquio interdisciplinare tenuto a
Pisa (1987[1988]) 75-99; insbes. 91f.; 92, Anm. 56.].
Ph.Huyse, der Herausgeber der Šābuhr-Inschrift, kommt zu dem Schluss, dass die Originalfassung
der Inschrift in der Staatssprache des Sāsānidenreiches, dem Mittelpersischen, zu suchen sei. Von
dieser Originalfassung seien zwei mittelpersische Kopien in mittelpersischer Kursivschrift angefertigt
worden. Die erste Kopie habe als Vorlage für den Steinmetzen der mittelpersischen Version der In-
schrift gedient, die zweite habe Hormezd für seine Übersetzung ins Parthische gedient. Die griechi-
sche Version gehe auf eine parthische Vorlage zurück. [ŠKZ 2(1999) 191-201].
Zuletzt hat sich Z.Rubin zu diesem schwierigen Problem geäußert. Z.Rubin hält Hormezd für den al-
leinigen Redaktor aller drei Versionen der Šābuhr-Inschrift. [Res Gestae Divi Saporis: Greek and Mid-
dle Iranian in a Document of Sasanian anti-Roman Propaganda (2002) 267-297; insbes. 274; 276-
277].
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Hormezd, Schreiber [dibīr], Sohn des Schreibers Šilag
© Dr. Ursula Weber - 22.10.2022 C Seite 4/4
tact and Written Text. Ed. by J.N.Adams, M.Janse and S.Swain. Oxford (2002) 267-297; insbes. 274f.
- Ph.Huyse, Les provinces romaines dans la grande inscription trilingue de Šābuhr Ier sur la Kaʻba-ye
Zardošt. In: La " crise » de l'empire romain de Marc Aurèle à Constantin. Mutations, continuités, rup-
tures. M.-H. Quet (dir.). Paris (2006) 308-328; hier 317f.