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Ursula Weber: Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n. Chr.
Rodduxt Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.

Rōdduxt, Prinzessin [duxš], Tochter der Anōšag

© Dr. Ursula Weber - 22.08.2022 C Seite 1/3

Vorwort Abkürzungsverzeichnis Personenregister Orts- und Sachregister

Griechisches Wörterverzeichnis Karte des Sāsānidenreiches

NPi I: Introduction NPi II a: Main part a NPi II b: Main part b NPi III: Conclusion

ŠKZ I: Genealogie ŠKZ II: Hofstaat Pābags ŠKZ III: Hofstaat Ardašīrs I.

ŠKZ IV: Hofstaat Šābuhrs I. ŠKZ V: Frauen


Rōdduxt, Prinzessin [duxš], Tochter der Anōšag
[ŠKZ I 18]


B:
ŠKZ: mpI 26: W - lwdwhty ZY dwhšy ZY ʼnwšky BRTE = ud Rōdduxt ī duxš ī Anōšag duxt; paI 21:
rwddwhtyE BRBYTE ʼnwškyE BRTY = Rōdduxt wisduxt Anōšag duxt; grI 49/50:
  <>A !A   Übers.: mp. und Rōdduxt, der Prinzessin, der Toch-
ter von Anōšag; pa. Rōdduxt, der Prinzessin, der Tochter von Anōšag; gr. und Rōdduxt, (die) Prinzes-
sin, (die) Tochter (der) Anōšag.

P:
Als einzige Quelle überliefert die Šābuhr-Inschrift den Namen der Prinzessin
Rōdduxt1, Tochter der Anōšag [ŠKZ I 18]. In seiner Genealogie hat ihr der Großkönig
Šābuhr I. den 18. von insgesamt 29 Rängen zugewiesen. Durch ihren Titel mp. duxš,
pa. BRBYTE/wisduxt, gr.  Prinzessin, ist sie ohne Zweifel als Angehörige der
großköniglichen Familie ausgewiesen. Bemerkenswert ist, dass sie allein unter den
16 aus der Šābuhr-Inschrift bekannten Frauen den Titel Prinzessin2 trägt.
In der Šābuhr-Inschrift sind Rōdduxt und die ihr folgende Warāzduxt [ŠKZ I 19],
Tochter der Xwar(r)ānzēm [ŠKZ I 9 und 19], die einzigen Frauen, die sich allein durch
ihre Mütter für die Aufnahme in die Familie des Großkönigs qualifiziert haben. Diese
Tatsache ist als Besonderheit anzusehen, da in allen anderen Fällen die Abstam-
mung vom Vater eigens erwähnt wird. Der Bezug auf den Vater gilt nicht nur als eh-
renvoll, sondern auch als ausschlaggebend für die protokollarische Rangordnung3.


1 Zum Namen Rōdduxt s. M.Back, SSI (1978) 254, Nr. 293. - Ph.Gignoux, Glossaire des inscriptions
pehlevies et parthes (1972) 27b: mp. lwdwḥty; 63b: pa. rwddwḥtyH. - id., Noms propres sassanides
en moyen-perse épigraphique (1986) 154, Nr. 814. - Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 122. - R.Schmitt, Per-
sonennamen in parthischen epigraphischen Quellen (2016) 185, Nr. 421.
2 Während die Lesung von Rōdduxts Namen und Titel in der mittelpersischen und parthischen Version
keine Schwierigkeiten verursachte, war die Deutung der griechischen Version unklar:
 Durch die geringfügige Veränderung des Buchstabens  in  gelang
E.Benveniste eine plausible Lösung des Problems: aus  wurde
 A Der griechische Übersetzer der Inschrift hat auf der Suche nach einem geeigneten
Äquivalent für mp. duxš und pa. BRBYTE/wisduxt das griechische Wort  Mädchen (von hohem
Rang) im Sinne von Prinzessin eingesetzt: →E.Benveniste, Titres et noms propres en iranien ancien
(1966) 39ff. - →auch J.Harmatta, Sino-Iranica (1971) 129f.
3 Die Enkel und Enkelinnen Šābuhrs I. auf den Rängen ŠKZ I 21-29 sind in derselben Reihenfolge
platziert wie ihre Väter in der ersten Liste der Nachkommen des Großkönigs [ŠKZ I 2 - I 4):
→Ohrmezd-Ardašīr (Großkönig der Armenier), →Šābuhr, König von Mēšān und →Narseh, König der
Saken.
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.

Rōdduxt, Prinzessin [duxš], Tochter der Anōšag

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Rōdduxts Stellung in der großköniglichen Familie hat in der wissenschaftlichen
Diskussion zu unterschiedlichen Meinungen geführt. W.B.Henning4 erkannte in
Rōdduxt die Enkelin des Narseh, die Tochter von Anōšag und dem König von Hatra5.
Dass es sich hier nicht um den Prinzen →Narseh [ŠKZ I 17] der Šābuhr-Inschrift
handeln kann, wie F.Justi, M.Sprengling und W.B.Henning6 annahmen, erklärt sich
aus dem historischen Umfeld, da Ṭabarī und Dīnawarī diese Ereignisse zeitversetzt
in die Ära Šābuhrs II. transponierten7. A.Maricq8 hielt daher eine Identifizierung der
Prinzessin Rōdduxt mit der Tochter des Königs von Hatra für nicht gerechtfertigt.
Ferner kann die Eroberungsgeschichte Hatras wegen ihrer legendenhaften Züge und
dem häufigen Namenwechsel ihrer handelnden Personen im Laufe ihrer Überliefe-
rungsgeschichte in der arabischen und persischen Literatur nicht als historische
Quelle angesehen werden. M.-L.Chaumont9 sah in Rōdduxt und der ihr folgenden
Warāzduxt zwei illegitime Töchter Šābuhrs I. Diese Einschätzung ist schwer nach-
vollziehbar, da solche Personen wohl kaum in der offiziellen Genealogie des Groß-
königs ihren Platz erhalten hätten. Außerdem ist festzuhalten, dass beide Persön-
lichkeiten von ihrer Herkunft her nicht zu vergleichen sind. Rōdduxt, die als Prinzes-
sin der Warāzduxt vorangeht, ist Tochter der Anōšag, einer anderweitig nicht be-
kannten Frau. Obgleich Anōšag für Rōdduxt das Bindeglied zum Königshaus her-
stellt, steht die Tochter durch ihre königliche Abstammung protokollarisch auf einem
höheren Rang als ihre Mutter. Diese Meinung vertrat schon J.Harmatta10.
Warāzduxt dagegen, die sich überraschenderweise durch keinen Titel auszeich-
net, ist Tochter der Königin des Reiches Xwar(r)ānzēm [ŠKZ I 9]. Warāzduxts fehlen-
der Titel dürfte daraufhin deuten, dass sie11 nicht aus einer Ehe der Xwar(r)ānzēm mit
Ardašīr I. stammt. Von daher ist es wohl eher angebracht, von zwei Vätern unter-
schiedlichen Ranges zu sprechen.
Da Rōdduxts Epitheton, "Tochter der Anōšag", keine weiteren Schlussfolgerungen
über eine genauere Stellung innerhalb des Königshauses erlaubt, ist es notwendig,
die Personen ihres Umfeldes näher zu betrachten. Die Gliederung der Genealogie
Šābuhrs I. in einzelne Abschnitte mit sich abstufenden Verwandtschaftsgraden gibt
wichtige Aufschlüsse über die einzelnen Personengruppen und kann in Zweifelsfällen
eine genauere Zuordnung zur großköniglichen Familie erleichtern. Nach der Familie
des Königs →Narseh [ŠKZ I 4] von Hind(estān), Sagestān und Tūrān, beginnt ein
neuer Abschnitt mit Angehörigen der Familie →Ardašīrs I. [ŠKZ I 8]: der Prinzessin
Rōdduxt voran geht Prinz →Pērōz [ŠKZ I 15], ein Bruder Šābuhrs I., gefolgt von

4 Notes on the Great Inscription of Šāpūr I (1954) 46f.
5 ...at-Tabarī, Annales. Recens. J.Barth et Th.Nöldeke, I(1881) 827f. - s. Th.Nöldeke, Tabari (1879)
36 und Anm. 1. - The History of al-Ṭabarī. Transl. and Annotated by C.E.Bosworth (1999) 33.
6 F.Justi, Iranisches Namenbuch (1895) 222, Nr. 10: "Narsī, Bruder des Sapor I. und Vater der
Duxtnōš (Nōša), mit welcher Ḏaizan von Ḥaḏr (Hatra) eine Tochter erzeugte, die später ihren Vater an
die Perser verrieht. Dīnawarī bei Nöldeke, Tab. 36, Note 11". - M.Sprengling, Shahpuhr I, the Great
on the Kaabah of Zoroaster (KZ) (1940) 393. - W.B.Henning, ibid. 46.
7 s. dazu →Narseh, Prinz [wispuhr] [ŠKZ I 17] Anm. 3.
8 A.Maricq, Res Gestae Divi Saporis (1958) 334: "...l'identification proposée par M.Henning devient
fort hasardeuse. Nous sommes en pleine légende"; 335.
9 A propos de quelques personnages féminins figurant dans l'inscription trilingue de Šāhpuhr Ier à la
"Kaʻba de Zoroastre" (1963) 197f.
10 J.Harmatta, Sino-Iranica. In: AAntHung 19(1971) 113-147; hier 130: "Without doubt the semantic
development 'daughter' < 'lady' > 'princess' was only possible if the status of the daughter in the family
was that of the "lady", i.e. if in the families of the aristocracy among the women from the social point of
view the daughter was of the highest rank. She was descendant by blood of the family, while her
mother did not belong to the family by blood".
11 s. Warāzduxt [ŠKZ I 19] S. 2.
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Rōdduxt, Prinzessin [duxš], Tochter der Anōšag

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→*Murrōd [ŠKZ I 16], der Frau Ardašīrs I. und Mutter Šābuhrs I. Ob Prinz Narseh
[ŠKZ I 17] ebenfalls als Bruder Šābuhrs I. gelten kann, wird von einigen Forschern12
angenommen, ist aber nicht gesichert. So könnte es naheliegend sein, dass Rōdduxt
in die Familie Ardašīrs I. eingeordnet werden und als Tochter Ardašīrs und Schwes-
ter Šābuhrs I. gelten muss.


L:
Quellen:
ŠKZ: M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften [SSI]. Leiden, Téhéran 1978. (Acta Iranica.18.) -
Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 1-2. London
1999.(Corpus Inscriptionum Iranicarum. P. III, 1,1, 1-2.)
aṭ-Ṭabarī: at-Tabari, Annales quos scripsit Abu Djafar Mohammed Ibn Djarir at-Tabari cum aliis edidit
M.J. de Goeje. Prima series. II. Recensuerunt J.Barth et Th.Nöldeke. Lugduni Batavorum (1881) 827f.
- Editio photomechanice iterata. Lugduni Batavorum 1964. - Th.Nöldeke, Geschichte der Perser und
Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der arabischen Chronik des Tabari, übers. und mit ausführlichen
Erläuterungen und Ergänzungen versehn von Th. Nöldeke. Leyden (1879) 36 und Anm. 1. - Repr.
Graz 1973. - Engl. Übers.: The History of al-Ṭabarī (Taʼrīkh al-rusul waʼl-mulūk): The Sāsānids, the
Byzantines, the Lakhmids, and Yemen. Transl. and Annotated by C.E.Bosworth. Albany, N.Y. (1999)
33. (The History of al-Ṭabarī.V.)

Name/Titel:
F.Justi, Iranisches Namenbuch. Marburg (1895) 221f.; hier 22, Nr. 10: Narsī. - Repr. Hildesheim
1963. - M.Sprengling, Shahpuhr, the Great on the Kaabah of Zoroaster (KZ). In: American Journal of
Semitic Languages and Literatures 57(1940) 393. - W.B.Henning, Notes on the Great Inscription of
Šāpūr I. In: Prof. Jackson Memorial Volume. Bombay (1954) 46f. - Ebenf. abgedr. in: Selected Pa-
pers. Leiden 2(1977) 421f.(Acta Iranica.15.) - A.Maricq, Res Gestae Divi Saporis. In: Syria 35(1958)
334. - Ebenf. abgedr. in: Classica et Orientalia. Paris (1965) 76f. (Institut Français d'Archéologie de
Beyrouth. Publication hors série.11.) - M.L.Chaumont, A propos de quelques personnages féminins
figurant dans l'inscription trilingue de Šāhpuhr Ier à la "Kaʻba de Zoroastre". In: Journal of Near Eastern
Studies 22(1963) 197f. - E.Benveniste, Titres et noms propres en iranien ancien. Paris (1966) 39ff.
(Travaux de l'Institut d'Études Iraniennes de l'Université de Paris.1.) - J.Harmatta, Sino-Iranica. In:
Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 19(1971) 113-147; hier: 129f. - Ph.Gignoux, Glos-
saire des inscriptions pehlevies et parthes (1972) 27b: mp. lwdwḥty; 63b: pa. rwddwḥtyH. - M.Back,
SSI (1978) 254, Nr. 293. - Ph.Gignoux, Noms propres sassanides en moyen-perse épigraphique.
Wien (1986) 154, Nr. 814. (Iranisches Personennamenbuch.II, 2.). - Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 122 (mit
zahlreichen Literaturhinweisen). - R.Schmitt, Personennamen in parthischen epigraphischen Quellen
(2016) 185, Nr. 421.

12 s. Anm. 6.