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Ursula Weber: Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n. Chr.
Mard Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
*Mard, Hauptschreiber [dibīruft]

© Dr. Ursula Weber - 25.08.2022 C Seite 1/3

Vorwort Abkürzungsverzeichnis Personenregister Orts- und Sachregister

Griechisches Wörterverzeichnis Karte des Sāsānidenreiches

NPi I: Introduction NPi II a: Main part a NPi II b: Main part b NPi III: Conclusion

ŠKZ I: Genealogie ŠKZ II: Hofstaat Pābags ŠKZ III: Hofstaat Ardašīrs I.

ŠKZ IV: Hofstaat Šābuhrs I. ŠKZ V: Frauen


*Mard, Hauptschreiber [dibīruft]
[ŠKZ III 18]


B:
ŠKZ: mpI 29: mrdw ZY dpywrpt = *Mard ī dibīruft (?); paI 24: mʼrd dpyrwpt = *Mard dibīruft; grI 57:
  - Übers.: mp. und pa. [für] *Mard, den Hauptschreiber; gr. *Mard, (den) Haupt-
schreiber.

P:
In der Funktion als Hauptschreiber1 dibīruft (?) ist *Mard2 der erste Vertreter seines
Berufsstandes, der in der Šābuhr-Inschrift genannt wird3. Er nimmt den 18. Rang in-
nerhalb der Gruppe der 31 Würdenträger im Gefolge →Ardašīrs I. ein. Im Hofstaat
Königs →Pābags dagegen findet sich noch kein Inhaber eines solchen Amtes. Nicht
dibīr "Schreiber", sondern dibīruft "Hauptschreiber", ist *Mards Amtsbezeichnung.
Dieser Titel weist *Mard als einen Würdenträger aus, der unter Ardašīr I. an der Spit-
ze des königlichen Kanzleiwesens mit einer Anzahl von ihm untergeordneten Schrei-
bern gestanden haben muss. Protokollarisch gesehen rangiert er direkt hinter dem
spahbed, dem Heerführer. Dem Hauptschreiber *Mard folgen der "Zeremonienmeis-
ter", einige Persönlichkeiten ohne berufliche Spezifizierung und eine Reihe von Wür-
denträgern, die mit der Verwaltung am Hofe im engeren Sinne befasst sind. Fest
steht, dass *Mard mit der Leitung des staatlichen sāsānidischen Kanzleiwesens wäh-
rend der Regierungszeit Ardašīrs I. (224-239/40 n.Chr.) beauftragt war.
Es dürfte angebracht sein, an dieser Stelle einige grundsätzliche Bemerkungen zu
Amt und Aufgaben der Schreiber im frühen Sāsānidenreich zu machen. Dass auf-
schlussreichere Nachrichten über den exakten Aufgabenbereich der Schreiber in
dem sich stetig ausweitenden sāsānidischen Verwaltungsapparat erst Quellen aus
späteren Jahrhunderten liefern, ist bekannt. Diese Angaben können aber nicht vor-

1 H.H.Schaeder, Esra der Schreiber (1930) 47f. - A.Tafazzoli, Dabīr. I. In the pre-Islamic Period. In:
EncIr VI,5(1993) 534-537. - E.Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutio-
nen (1998) 159ff. - Zur Etymologie des Titels mpI dpywrpt und dpyrpt (ŠKZ 34), paI dpyrwpt und
dpyrpty (ŠKZ 28), grI  und A ŠKZ 65) s. Ph.Huyses umfassende Behandlung
der Frage in: ŠKZ 2(1999) 140f. - E.Khurshudian, ibid. (1998) 165f. - A.Tafazzoli, Sasanian Society: I.
Warriors. II. Scribes. III. Dehqāns. New York (2000) 18-37; hier 35f.
2 Es fällt auf, dass der Name *Mard in drei unterschiedlichen Schreibweisen erscheint mp. mrdw, pa.
m'rd und gr. ; →Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 139f.
3 Ph.Gignoux, Glossaire des inscriptions pehlevies et parthes (1972) 29a: mrdw; 56b: mʼrd. - M.Back,
SSI (1978) 231, Nr. 207. - Ph.Gignoux, Noms propres sassanides en moyen-perse épigraphique
(1986) 117, Nr. 570. - Ph.Huyse, ŠKZ 1(1999) 54, § 42; 2(1999) 139ff. - R.Schmitt, Personennamen
in parthischen epigraphischen Quellen (2016) 123, Nr. 262.
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
*Mard, Hauptschreiber [dibīruft]

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schnell auf die Verhältnisse des 3. Jahrhunderts n.Chr. übertragen werden. Insofern
erfolgt notwendigerweise eine Beschränkung auf die Quellen des 3. Jahrhunderts
n.Chr. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Übersetzung des Wortes dibīr
"Schreiber" im heutigen Sprachgebrauch den wirklichen Aufgabenbereich nur unge-
nügend wiedergibt. Grundlage für den Aufbau des sāsānidischen Kanzleiwesens war
die Jahrhunderte alte Schreibertradition des Zweistromlandes. Sie setzte sich fort in
achaimenidischer Zeit und wurde später durch Vermittlung der Parther von den
Sāsāniden übernommen.
Aus den epigraphischen Quellen des 3. Jh. n.Chr., im ersten Jahrhundert der
Sāsānidenherrschaft, sind die Namen von sieben Schreibern3a mit unterschiedlichen
Aufgabenbereichen bekannt. Alle vier in der Šābuhr-Inschrift erwähnten Schreiber
waren mit Sicherheit herausragende Funktionäre im Dienst des Königs der Könige,
sonst hätten sie weder diese ehrenvolle Erwähnung gefunden, noch hätte →Šābuhr
I. für sie ein Opfer gestiftet. Welche Ausmaße die 'Bürokratisierung' unter Šābuhr I.,
genommen hatte, zeigt sich in der Würdigung von gleich drei königlichen Schreibern.
Es sind dies der Hauptschreiber →Hormezd, Sohn des Hauptschreibers Hormezd
[ŠKZ IV 46], dann →Aštād, der Schreiber von Verträgen bzw. Briefen, aus Ray [ŠKZ
IV 56], und ferner der Schreiber →Hormezd, Sohn des Schreibers Šilag [ŠKZ paI 30],
der für die parthische Version der Šābuhr-Inschrift verantwortlich war und diese Auf-
gabe auch in der Inschrift zum Ausdruck bringt.
Aus zwei anderen Inschriften des 3. Jahrhunderts sind die Namen von zwei weite-
ren Schreibern namentlich bekannt: →Afsā [ŠVŠ] aus der Stadt Hrʼn (Ḥarrān), der
Šābuhr I. ein Denkmal mit dazugehöriger Inschrift setzte, und →Bōxtag [KNRb], der
Schreiber des mowbed Kerdīr. Aus der Pāikūlī-Inschrift gegen Ende des 3. Jahrhun-
derts n.Chr. ist schließlich der recht aufwendige Titel4 eines Schreibers bekannt,
dessen Namenszug jedoch nicht mehr lesbar ist: →Anonymus [NPi II a 17], er war
Schreiber des 'Finanzministeriums': mp. št(r-ʼmʼl) dp(yw)r; pa. hštr-ʼhmr SPRA5.
Dass die Aufgaben eines Schreibers sehr vielfältig sein konnten, zeigen die Tätig-
keitsmerkmale der zuvor erwähnten sieben Persönlichkeiten. Unter Ardašīr I. tritt nur
Mard als einziger Vertreter dieses Standes auf; er ist Hauptschreiber und damit Leiter
der staatlichen Kanzlei. Die drei Schreiber unter Šābuhr I. haben hingegen schon
differenziertere Aufgabenbereiche: neben dem obersten Leiter der staatlichen Kanz-
lei ist die Tätigkeit eines Schreibers von Verträgen bzw. von Briefen überliefert. Der
dritte unter ihnen war für die parthische Version der Staatsinschrift an der Kaʻba-i
Zardušt verantwortlich.
Wie selbstbewusst und reich die Schreiber sein konnten, zeigt sich auch in der Per-
son des Afsā aus Hrʼn (Ḥarrān), der es sich leisten konnte, zu Ehren Šābuhrs I. eine
Statue mit dazugehöriger Inschrift in Bīšābuhr zu errichten.
Als Schreiber des mowbed Kerdīr gibt sich Bōxtag in der Inschrift von Naqš-i Raǰab
zu erkennen: er dürfte wohl zu den ersten Schreibern im Dienst der Magier gehört

3a Nicht berücksichtigt sind in diesem Zusammenhang hier die Schreiber aus Dura-Europos. Sie wer-
den aber später unter ihrem Namen aufzufinden sein.
4 P.O.Skjaervø, NPi 3.1(1983) 42: mp. C 10,05: št(r-ʼmʼl) dp(yw)r; paI c 14,02 -c 15,02: hštr-ʼhmr
SPRA - id., ibid. (1983) 43, Z. 2: [..., and ...] Secretary of the Finances. - id., ibid. 126: štr-ʼmʼl, pa.
hštr-ʼhmr 'department of finance'.
5 E.Herzfeld [Paikuli (1924) 195, Nr. 429] wird der Hinweis verdankt, dass dieser Titel noch sieben
Jahrhunderte später im Gebrauch war. Der Schreiber Abū ʻAbdallāh Muhammad b. Jūsuf al-Chwā-
razmī (10.Jh.) [H.H.Schaeder, ibid. (1930) 47] beschreibt in seinen Mafātīḥ al-ʻulūm das Kanzleiwesen
seiner Zeit; es gliederte sich in sieben Verwaltungsressorts, denen sieben Schreiber vorstanden. Der
entsprechende Titel lautete: šahr-hamār dipīr.- s. dazu auch A.Christensen, L'Iran sous les Sassani-
des (21944) 132ff. insbes. 135 und Anm. 1. - J.Markwart, Np. āđīna "Freitag" (1927) 99, Nr. 24.
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
*Mard, Hauptschreiber [dibīruft]

© Dr. Ursula Weber - 25.08.2022 C Seite 3/3
haben. Der nicht mit Namen bekannte Schreiber des 'Finanzministeriums' aus der
Pāikūlī-Inschrift beendet die Reihe der namhaftesten Schreiber im 3. Jahrhundert n.
Chr., deren Namen uns überliefert sind.

L:
Quellen:
M.Back, Die sassanidischen Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran, 1978.(Acta Iranica.18.) -
Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ). Bd 1-2. London 1999.
(Corpus Inscriptionum Iranicarum. P. III, 1,1,1-2.)

Namen:
Ph.Gignoux, Glossaire des inscriptions pehlevies et parthes. London (1972) 29a: mrdw; 56b: mʼrd.
(Corpus Inscriptionum Iranicarum. Supplementary Series. I.) - M.Back, Die sassanidischen
Staatsinschriften (SSI). Leiden, Téhéran (1978) 231, Nr. 207.(Acta Iranica.18.) - Ph.Gignoux, Noms
propres sassanides en moyen-perse épigraphique. Wien (1986) 117, Nr. 570.(Iranisches Personen-
namenbuch.II,2.) - Ph.Huyse, Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Kaʻba-i Zardušt (ŠKZ).
Band 1-2. London 1(1999) 54, § 42; 2(1999) 139ff. (Corpus Inscriptionum Iranicarum. P. III, 1,1,1-2.) -
R.Schmitt, Personennamen in parthischen epigraphischen Quellen. Wien (2016) 123, Nr. 262. (Irani-
sches Personennamenbuch.II,5.)(Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaf-
ten, phil.-hist. Kl. 881.)(Iranische Onomastik.15.)

Amt:
E.Herzfeld, Paikuli. Monument and Inscription of the Early History of the Sasanian Empire. Bd 1-2.
Berlin 1924. - J.Markwart, Np. āđīna "Freitag". In: Ungarische Jahrbücher 7(1927) 99, Nr. 24.-
H.H.Schaeder, Esra der Schreiber. Tübingen 1930. (Beiträge zur historischen Theologie.5.) - Ebenf.
abgedr. in: H.H.Schaeder, Studien zur orientalischen Religionsgeschichte. Darmstadt 1968. -
A.Christensen, L'Iran sous les Sassanides. Copenhague 21944. - Repr. Osnabrück 1971. -
A.Tafazzoli, Dabīr. I. In the pre-Islamic Period. In: Encyclopaedia Iranica VI,5(1993) 534-537. -
H.Humbach/P.O.Skjaervø, The Sassanian Inscription of Paikuli. P. 1-3. Wiesbaden, Teheran 1978-
1983. - E.Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutionen nach den litera-
rischen und epigraphischen Quellen. 3. Jh. v.Chr. - 7. Jh. n.Chr. Jerewan 1998. - M.Shaki, Class
System. III. In the Parthian and Sasanian Periods. In: Encyclopaedia Iranica V,6(1992) 652-658. -
Last Updated, October 21,2011. - A.Tafazzoli, Sasanian Society: I. Warriors. II. Scribes. III. Dehqāns.
New York (2000) 18-37.(Ehsan Yarshater Distinguished Lectures in Iranian Studies.1.)