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Ursula Weber: Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n. Chr.
Kurdzad Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Kurdzād, Frau Šābuhrs I. und Mutter Hormezd I

© Dr. Ursula Weber - 12.09.2022 C Seite 1/4

Vorwort Abkürzungsverzeichnis Personenregister Orts- und Sachregister

Griechisches Wörterverzeichnis Karte des Sāsānidenreiches

NPi I: Introduction NPi II a: Main part a NPi II b: Main part b NPi III: Conclusion

ŠKZ I: Genealogie ŠKZ II: Hofstaat Pābags ŠKZ III: Hofstaat Ardašīrs I.

ŠKZ IV: Hofstaat Šābuhrs I. ŠKZ V: Frauen


Kurdzād*1, Frau Šābuhrs I. und Mutter Hormezd I.
[Ḥamza al-Iṣfahānī I 49,18]


B:
Ḥamza al-Iṣfahānī: Hamzae Ispahanensis Annalium Libri X [Kitāb taʼrīḫ sinī mulūk al-arḍ wa-l-
anbiyāʼ]. Ed. J.M.E.Gottwaldt. Leipzig I(1844) 49,18: wa-kānat ummuhu Kurdzād allatī qad sāra bi-
smihā dastānun2 mašhūrun. - Lat. Übers.: a.O. II(1848) 36: "Matrem Gerdzad [!] habuit [Hormezd I.],
cuius nomine narratio fertur celeberrima".

P:
Ḥamza al-Iṣfahānī ist3 der einzige Gewährsmann, der den Namen Kurdzāds*4, der
Mutter des Großkönigs →Hormezds I. (270/72-273)5, in einer kurzen Anmerkung er-
wähnt: "Und seine [Hormezds] Mutter war Kurdzād, über deren Name eine berühmte
Geschichte kursiert". Über die Ereignisse, die zu Kurdzāds* hohem Ansehen führten,
schweigt der Autor hingegen. Wenn Ḥamza al-Iṣfahānīs Angaben den historischen
Tatsachen entsprächen, hätte Kurdzād* ein Platz innerhalb der Genealogie der
Šābuhr-Inschrift zugestanden. Außerdem hätte →Šābuhr I. wohl kaum die Frau, die
ihm den Thronfolger geboren hätte, in seiner Genealogie übersehen. Denn die
Šābuhr-Inschrift bestätigt, dass der Großkönig Wert darauf legte, die Mütter der ers-
ten Könige des Sāsānidenreiches zu ehren und namentlich aufzuführen: →Dēnag,
die Mutter des Königs Pābag [ŠKZ III 5], →Rōdag, die Mutter des Königs der Könige
Ardašīr [ŠKZ III 6] und →*Murrōd, Herrin, Mutter des Šābuhr, des Königs der Könige
[ŠKZ I 16]. Da jedoch keine weiteren Quellen Kurdzād* erwähnen, muss die Überlie-
ferung Ḥamza al-Iṣfahānīs mit großer Vorsicht betrachtet werden. Von daher hat
auch A.Maricq Kurdzād* wohl nicht in die genealogische Tafel aufgenommen6.

1 Die mit einem Asteriskos hinter dem Namen gekennzeichneten Personen gelten als historisch nicht
gesichert.
2 Persisches Lehnwort (dastān) im Sinne von Fabel, Märchen, Geschichte; →H.F.J.Junker/B.Alavi,
Wörterbuch Persisch-Deutsch. 3. unveränd. Aufl. Leipzig (1977) 313 s. v. dastānun.
3 Ḥamza al-Iṣfahānī, Annalium Libri X. Ed. J.M.E.Gottwaldt 1(1844) 49,18: "Matrem Gerdzad [!] habuit
[Hormezd I.], cuius nomine narratio fertur celeberrima".
4 Im Gegensatz zu Ḥamza al-Iṣfahānī, der Kurdzāds* Namen mit kāf schreibt, verwenden sowohl
W.B.Henning [Notes on the Great Inscription of Šāpūr I (1954) 44 Anm. 4] als auch A.Maricq [Res
Gestae Divi Saporis (1958) 335] in ihren Arbeiten ein anlautendes G, vermutlich in Anlehnung an
F.Justis Namenbuch: →F.Justi, Iranisches Namenbuch (1895) 122: Gurdzād 1) Gattin Sapors I, Mut-
ter des Hormizd I., Hamzah 49,18.
5 M.R.Shayegan, Hormozd I. In: EncIr XII,5(2004) 462-464. - U.Weber, Hormezd I., König der Könige
von Ērān und Anērān. In: IrAnt 42(2007) 387-418. - →die 2., überarb. und mit Quellentexten versehe-
ne Version von 2022 → www.dr-ursula-weber.de/Prosopographie
6 A.Maricq, ibid. (1958) 335.
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Kurdzād, Frau Šābuhrs I. und Mutter Hormezd I

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Nicht unerwähnt bleiben soll die Meinung W.B.Hennings, Kurdzād* könne mit
→Xwar(r)ānzēm [ŠKZ I 9], der šahr bāmbišn (Königin des Reiches), identisch sein;
für Henning ist die Deutung ihres Namens von Belang. Er hält den Namen Gurdzād*
für eine korrupte Form von Xwar(r)ānzēm7. Bei dieser Vermutung scheint der Wunsch
Hennings vorrangig zu sein, durch eine sprachliche Deutung auf einem Umweg
Xwar(r)ānzēm als Königin des Reiches und Gattin Šābuhrs I. bestätigen zu können8.
W.B.Hennings Annahme lässt sich aber durch die Rangliste in der Genealogie der
Šābuhr-Inschrift (Tabelle 1), aber nicht bestätigen. Nach dem Protokoll ist
Xwar(r)ānzēm dem Großkönig Ardašīr I. [ŠKZ I 8] zugeordnet und folgt ihm auf dem
9. Rang. Nach dem Beispiel des Königs Narseh von Sagestān, dem zwei Frauen
[ŠKZ I 12 und 13]9 direkt nachgeordnet sind, darf man annehmen, dass
Xwar(r)ānzēm eher als Frau Ardašīrs I. anzusehen ist.
Diese These lässt sich aber auch durch das Gliederungsprinzip der Genealogie
auf den Rängen ŠKZ I 1-20 überprüfen: Danach ergibt sich, dass sich dieser Teil der
Inschrift in mehrere Abschnitte aufteilen lässt. Der erste Abschnitt ist der sāsānidi-
schen Herrscherfamilie [ŠKZ I 1-4] vorbehalten (Tabelle 1), danach folgt gleichsam
eine Zäsur und ein neuer Abschnitt beginnt mit den Namen der Ahnen [ŠKZ I 5-9],
mit dem Dynastiegründer Sāsān und den Königen Pābag, Šābuhr, Sohn Pabags,
dann Ardašīr I. und endet mit Xwar(r)ānzēm, der Königin des Reiches.
Mit Ādur-Anāhīd, die der Xwar(r)ānzēm überraschenderweise nachgeordnet ist, setzt
sich wohl die Reihe der lebenden Familienmitglieder fort, gefolgt von der Königin
Dēnag und den Nachkommen Šābuhrs I. und endet mit den Ehefrauen König Nar-
sehs. Hervorzuheben ist, dass bei der zweiten Aufzählung die Nachkommen Šābuhrs
nicht nach ihrem protokollarischen Rang, sondern eher ihrem Alter entsprechend10
aufgeführt sind11.
Wider Erwarten hat es Šābuhr I. jedoch versäumt, die Mutter seiner sechs Nach-
kommen namentlich zu erwähnen oder wenigstens die Mutter seines Nachfolgers
Hormezds I. in der Šābuhr-Inschrift zu würdigen. Über die Möglichkeit einer eheli-
chen Verbindung Šābuhrs I. mit seiner Tochter Ādur-Anāhīd, der Königin der Köni-
ginnen, herrscht in der wissenschaftlichen Diskussion keine Übereinstimmung12.
Grundlage für diese Annahme war wohl ihr Titel, ihre Stellung direkt nach dem Groß-
könig und die im Zarathustra aus religiösen Gründen befürwortete xwēdōdah-Ehe
unter Blutsverwandten13. Für die These, dass der Kronprinz Ohrmezd-Ardašīr aus
einer solchen Ehe Šābuhrs I. mit seiner Tochter stammen könnte, lassen sich wegen

7 W.B.Henning, Notes on the Great Inscription of Šāpūr I (1954) 44 Anm. 4. - Ebenso →A.Maricq,
ibid. (1958) 335: "Peut-être Gurdzād est-il une déformation de Khoranzêm".
8 W.B.Henning, ibid. 1(1954) 44: "she [Xwar(r)ānzēm] might have been the (late) predecessor of
Āturanāhīt, possibly the mother of Ohrmizd I.". - →vor allem S. 44 Anm. 4.
9 Šābuhrduxtag, König der Saken und Narsehduxt, Herrin der Saken.
10 W.B.Henning, Notes on the Great Inscription of Šāpūr I (1954) 40-54; hier 44 Anm. 6. - M.-
L.Chaumont, Les grands rois sassanides d'Arménie. In: IrAnt 8(1968) 81-93; hier 82.
11 Während Wahrām, König von Gēlān, in der ersten Aufzählung der Nachkommen Šābuhrs I. fehlt,
führt er jedoch als ältester Sohn des Großkönigs die zweite Reihe der Nachkommen des Großkönigs
nach dem Lebensalter an. →W.B.Henning, ibid. 44.
12 Für eine xwēdōdah - Ehe sprachen sich folgende Gelehrte aus: A.Christensen, L'Iran (21944) 226.
- D.Harnack, Parthische Titel, vornehmlich in den Inschriften aus Hatra (1970) 506. - O.Szemerényi,
Studies in the Kinship Terminology of the Indo-European Languages (1977) 165 und Anm. 615. -
K.Mosig-Walburg, Die frühen sasanidischen Könige als Vertreter und Förderer der zarathustrischen
Religion (1982) 57. - Ph.Gignoux, ibid. (1986) 29, Nr. 25.
13 M.Macuch, Rechtskasuistik und Gerichtspraxis zu Beginn des siebenten Jahrhunderts in Iran (1933)
320; 626. - →MHD 44,9-16 und 104,9-11.
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Kurdzād, Frau Šābuhrs I. und Mutter Hormezd I

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der unzureichenden Quellenlage keine Hinweise finden14. Dagegen spricht auch,
dass die drei ersten Großkönige von Frauen geboren wurden, die über keine heraus-
ragende Stellung verfügten. Sowohl →Dēnag [ŠKZ III 5], die Mutter König Pābags,
als auch →Rōdag [ŠKZ III 6], die Mutter Ardašīrs I. besitzen keinen Titel, dagegen
führt →*Murrōd [ŠKZ I 16], die Mutter Šābuhrs I. nur den Titel bānūg (Herrin). Dem-
zufolge war der ranghöchste Titel einer Königin der Königinnen, den Ādur-Anāhīd
und Dēnag [ŠKZ III 7], die Schwester Ardašīrs I., innehatten, nicht unbedingt verbun-
den mit dem Status einer Ehefrau ersten Ranges. Ausschlaggebend für ihre Stellung
in der Genealogie und im Hofstaat Ardašīrs I. war eher der soziale Rang und nicht
der Familienstatus15.
Nach diesen Erörterungen dürfte feststehen, dass Kurzād zu Recht in die Gruppe der
Personen einzuordnen ist, die als nicht historisch bzw. fiktiv gelten und daher mit ei-
nem Asteriskos hinter ihrem Namen gezeichnet sind.


L:
Quellen:
Ḥamza al-Iṣfahānī: Abū ʻAbd Allāh Ḥamza b. al-Ḥasan al-Iṣfahānī: Hamzae Ispahanensis Annalium
Libri X. (Kitāb taʼrīḫ sinī mulūk al-arḍ wa-l-anbiyāʼ). Edidit J.M.E.Gottwaldt. Tom. I. Textus Arabicus.
Leipzig I(1844) 49,18; Tom. II. Translatio Latina. Leipzig (1848) 36, 6-7.

Person:
F.Justi, Iranisches Namenbuch. Marburg (1895) 122a: Gurdzād, Gattin Sapor's I., Mutter des Hormizd
I. - Repr. Hildesheim 1963. - W.B.Henning, Notes on the Great Inscription of Šāpūr I. In: Prof. Jack-
son Memorial Volume. Bombay (1954) 40-54; hier 44 Anm. 4. - Ebenf. abgedr. in: Selected Papers.
Band 2. Leiden, Téhéran (1977) 415-429; hier 419. (Acta Iranica.15.) - A.Maricq, Res Gestae Divi
Saporis. In: Syria 35(1958) 295-360; hier 335. - Ebenf. abgedr. in: Classica et Orientalia. Paris (1965)
37-101; hier 77.(Institut Français d'Archéologie de Beyrouth. Publication hors série.11.) - M.R.
Shayegan, Hormozd I. In: Encyclopaedia Iranica XII,5(2004) 462-464. - Last Updated March 23,
2012. - U.Weber, Hormezd I., König der Könige von Ērān und Anērān. In: Iranica Antiqua 42(2007)
387-418. - →2., überarb. und mit Quellentexten versehene Ausgabe 2022 - www.dr-ursula-
weber.de/Prosopographie

14 Gegen eine solch vorschnelle Annahme wandten sich: A.Maricq, Res Gestae Divi Saporis (1958)
334f. - E.Benveniste, Titres et noms propres en iranien ancien (1966) 27f. - J.Harmatta, Sino-Iranica
(1971) 128 und Anm. 9. - Ph.Gignoux, Ādur-Anāhīd. In: EncIr I,5(1985) 472. - An updated version is
available online at https://iranicaonline.org/articles/adur-anahid-3rd-century-a (accessed on 6 March
2014). - J.Wiesehöfer, Das antike Persien (42005) 233. - Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 107.
15 A.Maricq, ibid. (1965) 75. - J.Harmatta, ibid. (1971) 128: "This explains the characteristic system of
ranks of the Sassanian royal family and the Persian aristocracy, in which the highest female rank, viz.
the title of the 'Queen of Queens', was not held by the wife of the 'King of Kings' but by his daughter or
eventually by his sister". →Anm. 9.
Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n.Chr.
Kurdzād, Frau Šābuhrs I. und Mutter Hormezd I

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Personenlisten der Šābuhr-Inschrift
Šābuhr I., König der Könige
Ādur-Anāhīd, Königin der Königinnen, Unsere Tochter [ŠKZ I 1]
1. Aufzählung der
Nachkommen
Šābuhrs I. nach
dem Protokoll.
Ohrmezd-Ardašīr, Großkönig der Armenier, Unser Sohn [ŠKZ I 2]
Šābuhr, König von Mēšān, Unser Sohn [ŠKZ I 3]
Narseh, König von Hind(estān), Sagestān und Turān bis
ans Meeresufer, unser Sohn [ŠKZ I 4]
Sāsān, Herr [ŠKZ I 5]
Pābag, König von Fārs [ŠKZ I 6]
Šābuhr, König, Sohn des Pābag [ŠKZ I 7]
Ardašīr I., König der Könige [ŠKZ I 8]
Xwar(r)ānzēm, Königin des Reiches [ŠKZ I 9]
Ādur-Anāhīd, Königin der Königinnen (s.o. ŠKZ I 1)
2. Aufzählung der
Nachkommen
Šābuhrs I. nach
dem Lebensalter.
Dēnag, Königin, (Tochter Šābuhrs I. ?) [ŠKZ I 10]
Wahrām, König von Gēlān (der spätere Wahrām I.) [ŠKZ I 11]
Šābuhr, König von Mēšān (s.o. ŠKZ I 3]
Ohrmezd-Ardašīr, Großkönig der Armenier (s.o. ŠKZ I 2]
Narseh, König der Saken (s.o. ŠKZ I 4]
Šābuhrduxtag, Königin der Saken [ŠKZ I 12]
Narsehduxt, Herrin der Saken [ŠKZ I 13]
Čašmag, Herrin [ŠKZ I 14]
Pērōz, Prinz [ŠKZ I 15]
*Murrōd, Herrin, Mutter Šābuhrs I. [ŠKZ I 16]
Narseh, Prinz [ŠKZ I 17]
Rōdduxt, Prinzessin, Tochter der Anōšag [ŠKZ I 18]
Warāzduxt, Tochter der Xwar(r)ānzēm [ŠKZ I 19]
Staxryād, Königin [ŠKZ I 20]
Hormezdag, Sohn des Königs der Armenier [ŠKZ I 21] s. ŠKZ I 2
Neun Enkel und
Enkelinnen
Šābuhrs I.
Hormezd, Sohn des Königs von Mēšān [ŠKZ I 22] s. ŠKZ I 3
Hormezdag, Sohn des Königs von Mēšān [ŠKZ I 23] s. ŠKZ I 3
Ōdābaxt, Sohn des Königs von Mēšān [ŠKZ I 24] s. ŠKZ I 3
Wahrām, Sohn des Königs von Mēšān [ŠKZ I 25] s. ŠKZ I 3
Šābuhr, Sohn des Königs von Mēšān [ŠKZ I 26] s. ŠKZ I 3
Pērōz, Sohn des Königs von Mēšān [ŠKZ I 27] s. ŠKZ I 3
Šābuhrduxtag, Tochter des Königs von Mēšān [ŠKZ I 28] s. ŠKZ I 3
Ohrmezd(d)uxtag, Tochter des Königs der Saken [ŠKZ I 29] s. ŠKZ I 4

Tabelle 1: Personenliste der erweiterten sāsānidischen Königsfamilie
(Namen der Mitglieder der engeren Königsfamilie sind fett gedruckt)
Nach Ph. Huyse, ŠKZ 1(1999) § 33-51.(CII P. III,1,1,1)