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Ursula Weber: Prosopographie des Sāsānidenreiches im 3. Jahrhundert n. Chr.
Anonyma_Tochter_Kaiser_Valerians_Aurelians Anonyma*, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians
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Vorwort Abkürzungsverzeichnis Personenregister Orts- und Sachregister

Griechisches Wörterverzeichnis Karte des Sāsānidenreiches

NPi I: Introduction NPi II a: Main part a NPi II b: Main part b NPi III: Conclusion

ŠKZ I: Genealogie ŠKZ II: Hofstaat Pābags ŠKZ III: Hofstaat Ardašīrs I.

ŠKZ IV: Hofstaat Šābuhrs I. ŠKZ V: Frauen


Anonyma*1, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians (?),
Ehefrau Šābuhrs I.
[Ibn al-Qifṭī, Bar Hebraeus]


B:
Ibn al-Qifṭī, ʻAlī Ibn Yūsuf: Ibn al-Qifṭī's Ta'rīḫ al-ḥukamā'. Auf Grund der Vorarbeiten Aug. Müller's
hrsg. von J.Lippert. Leipzig (1903) 132,17-133,17.

Übers. [U.Weber]: Ğibrā'īl b. Buḫtīšūʻ. Ibn Ğūrğīs b. Buḫtīšūʻ aus Ğundīsābūr war ein geschickter,
ausgezeichneter Arzt, der Werke/Bücher über die Medizin verfasst hatte und im Dienste des Kalifen
ar-Rašīd und seiner Nachfolger stand; und er trat an die Stelle seines Vaters Buḫtīšūʻ bei den Kalifen,
und er wurde groß in ihrer Dynastie. Und Ğibrā'īl gehörte zu den Einwohnern von Ğundīsābūr. Und
unter den Einwohnern von Ğundīsābūr gab es Ärzte, die über Fertigkeit im Beruf und über Wissen aus
der Zeit der Perserkönige verfügten, und das ist der Grund dafür, dass sie diesen Rang erreichten.
Und es geschah, dass Sābūr, Sohn des Ardašīr, einen Waffenstillstand mit Fīlas [Valerian], dem Kai-
ser, dem Herrscher Roms, geschlossen hatte, nach seinem Sieg über Syrien und seiner Eroberung
Antiochias; und er [Sābūr] forderte von ihm, dass er ihm seine Tochter zur Frau gäbe gegen etwas,
worüber sie sich miteinander verständigten; und der Kaiser tat jenes, und bevor sie zu ihm zog, baute
er für sie eine Stadt nach dem Vorbild von Konstantinopel und das war die Stadt Ğundīsābūr. Und in
ihren Chroniken wurde erwähnt, dass sie ein Dorf war, das einem Mann namens Ğundā gehörte und
dass Sābūr, als er dessen Ort auswählte, um dort eine Stadt zu errichten, für ihn viel Geld als Preis für
[das Dorf] aufbrachte, doch dieser lehnte ab, es zu verkaufen.
Und als er die Tochter des Kaisers dorthin führte, zog mit ihr jede Art von den Einwohnern ihrer Stadt,
die sie brauchte. So zogen mit ihr vorzügliche Ärzte, und als sie dort wohnten, begannen sie junge
Leute von den Einwohnern dort zu lehren, und ihre Position hinsichtlich des Wissens wurde noch stär-
ker und sie vermehrten es und erstellten Regeln der (medizinischen) Behandlung entsprechend der
Temperamente ihrer Länder, so dass sie sich durch große Verdienste auszeichneten; und als eine
Gruppe, die ihre Behandlung und ihre Methode gegenüber derjenigen der Griechen und Inder vorzog,
weil sie die Vorzüge jeder Gruppe nahmen und durch das ergänzten, was sie selbst entdeckten, so
erstellten sie für sie Ordnungen und Regeln und Bücher, in denen sie jede Wohltat verzeichneten.

Barhebraeus: Gregorii Barhebraei Chroncicon Syriacum. Ed. P.Bedjan. Paris (1890) 57,11-15.
Übers.: E.A.W. Budge, The Chronography of Gregory Abū 'l - Faraj ... commonly known as Bar
Hebraeus. London 1(1932) 56. - Repr. London 1976:
And Aurelian gave his daughter to Sapor, and made peace with him. And Sapor built for himself in
Persia a city which was like Constantinople. And its name was Gûndîshâbhôr, and he made his Ro-
man wife to live therein. And there came with her distinguished Greek physicians, and they sowed the
system of medicine of Hippocrates in the East.

Bar Hebraeus, Ta'rīḫ muḫtaṣar ad-duwal. Hrsg. von Anṭūn Salḥānī. Beirut 1890. - Repr. Beirut (1958)
76,16-20.
Übers.: (Kaiser Aurelian) herrschte sechs Jahre und schloss einen Waffenstillstand mit Sābūr, dem
König von Fārs, und er verheiratete seine Tochter mit ihm; Sābūr baute für sie in Fārs eine Stadt nach

1 Die mit einem Asteriskos hinter ihrem Namen gekennzeichneten Personen gelten als historisch nicht
gesichert bzw. fiktiv.
Anonyma*, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians
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dem Vorbild von Byzanz und nannte sie Ğundīsābūr; und Aurelian übersandte im Dienste seiner
Tochter eine Gruppe von griechischen Ärzten; und sie verbreiteten die ärztliche Kunst im Osten; und
im sechsten Regierungsjahr des Aurelian schickte er sich an, die Christen zu unterdrücken; und wäh-
rend er darüber nachdachte, fuhr ein Blitz herunter und verletzte ihn, und er starb; und in demselben
Jahr herrschte in Fārs Hurmuzd ein Jahr lang.


P:
Zwei Autoren des 13. Jahrhunderts, Ibn al-Qifṭī und Bar Hebraeus, berichten über
eine in früheren Quellen nicht überlieferte Heirat →Šābuhrs I. [239/40(241/42 ?) -
270/72] mit einer römischen Kaisertochter, deren Namen jedoch nicht bekannt ist. Ibn
al-Qifṭī2 (1172-1248), vielseitiger arabischer Schriftsteller und Wezīr, berichtet in
seinem Ta'rīḫ al-ḥukamā'3 innerhalb der Biographie des Arztes Ğibra'īl b. Buḫtīšūʻ
aus Ğundīsābūr, dass Šābuhr I. nach der Eroberung Antiocheias und nach dem
Waffenstillstand mit dem Kaiser Fīlas [Kaiser Valerian (253-260 n.Chr.)] dessen
Tochter zu ehelichen wünschte. Nach Ibn al-Qifṭī habe Šābuhr I. für Kaiser Valerians
Tochter die Stadt Ğundīsābūr nach dem Grundriss von Konstantinopel erbauen las-
sen. Zusammen mit der Kaisertochter seien zahlreiche Bewohner aus allen Bevölke-
rungsschichten ihres Landes, darunter auch viele Ärzte, nach Ğundīsābūr gekom-
men. Der Name der neu gegründeten Stadt Ğundīsābūr sei von Ğundā, dem Namen
des ehemaligen Grundbesitzers dieses Gebietes, abzuleiten4. Weiter erklärt der
arabische Autor, dass auf Šābuhrs Initiative und durch seine Heirat mit der Tochter
Kaiser Valerians in Ğundīsābūr5 ein Zentrum griechischer Medizin entstanden sei.
Einen verkürzten Bericht dieser Ereignisse überliefert uns dagegen Bar Hebraeus6
(1226-1286 n.Chr.), einer der bekanntesten jakobitischen Schriftsteller. In seinen
Schriften, "Chronicon Syriacum" und "Ta'rīḫ muḫtaṣar ad-duwal" erwähnt Bar
Hebraeus, dass - im Gegensatz zu Ibn al-Qifṭī - Kaiser Aurelian (270-275 n.Chr.)
seine Tochter dem sāsānidischen König Šābuhr I. zur Frau gegeben und Frieden mit
ihm geschlossen habe. Nach Bar Hebraeus habe Šābuhr I. die römische Kaiser-
tochter, deren Namen auch in dieser Quelle nicht überliefert ist, nach ihrer Eheschlie-
ßung in der von ihm erbauten Stadt Ğundīsābūr wohnen lassen. Als Vorbild für die-
sen Stadtneubau habe Konstantinopel gestanden7. In Begleitung der Kaisertochter,
so berichtet auch Bar Hebraeus, wären zahlreiche griechische Ärzte nach Ğundīsā-

2 A.Dietrich, Ibn al-Ḳifṭī. In: EI2 III(1986) 840.
3 Ibn al-Qifṭī, ʻAlī Ibn Yūsuf: Ibn al-Qifṭī's Ta'rīḫ al-ḥukamā'. Auf Grund der Vorarbeiten Aug. Müller's
hrsg. von J.Lippert. Leipzig (1903) 133,2-17.
4 Zu den drei Namen dieser Stadt: Th.Nöldeke, Tabari (1879) 41 Anm. 2. - s. ferner R.N.Frye im
Appendix von N.Abbott, Jundī Shāhpūr. In: Ars Orientalis 7(1968) 71 Anm. 1. - R.Gyselen, La
géographie administrative de l'empire sassanide (1989) 61 Anm. 182. - W.Schwaigert, Das Christen-
tum in Ḫūzistān im Rahmen der frühen Kirchengeschichte Persiens bis zur Synode von Seleukeia-
Ktesiphon im Jahre 410 (1989) 278-284. - D.T.Potts, Gundešapur and the Gondeisos. In: IrAnt
24(1989) 323-335. - dazu die Rez. von R.Gyselen, StIr 19(1990) 265-271; hier 270. - J.Wiesehöfer,
Gundeschapur. In: Der Neue Pauly V(1998) 10. - s. auch die weiteren Literaturangaben unter L.
5 E.Kettenhofen, Römer und Sāsāniden in der Zeit der Reichskrise, 224 - 284 n.Chr. Wiesbaden
1982. (TAVO - Karte B V 11). - id., Das Sāsānidenreich. Wiesbaden 1993. (TAVO - Karte B VI 3).
J.Wiesehöfer, ibid. (1998) 10. - Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 157. - R.Gyselen hält es für möglich, dass
die Münzstätte IV wegen ihres neuen Münztyps und Münzstils mit Weh-Andiyōk-Šābuhr oder
Bīšābuhr, den neuen Städtegründungen Šābuhrs I., in Verbindung gebracht werden könne. s.
M.Alram/R.Gyselen, Ardashir I. und Shapur I. (2003) 286.
6 Bar Hebraeus = syr. Grīgōr bar ʻEbrāyā; arab. Grīgōr Abū 'l-Farağ ibn al-ʻIbrī.
7 Vgl. die unterschiedliche Bezeichnung der Stadt bei Ibn al-Qifṭī: Qusṭanṭīnīya und bei Bar Hebraeus.
Bar Hebraeus nennt in dem Chroncicon Syriacum die Stadt QWSṬNṬYNPWLYS, aber in seiner ara-
bisch-sprachigen Schrift: Ta'rīḫ muḫtaṣar ad-duwal heißt die Stadt Būzanṭīyā.
Anonyma*, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians
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būr gekommen, um hier die ärztliche Kunst nach den Grundsätzen der hippokrati-
schen Medizin zu praktizieren8.
Zahlreiche Quellen9 der zweiten und dritten Tradition berichten über die Gründung
der Stadt Ğundīsābūr10 durch Šābuhr I., jedoch ohne die Heirat des Großkönigs mit
einer Kaisertochter zu erwähnen, wie Ibn al-Qifṭī und Bar Hebraeus es tun. Fest
steht, dass Šābuhr I. nach der zweimaligen Einnahme Antiocheias am Orontes in
den Jahren 253 und 260 n.Chr.11 Ğundīšābur nach dem Vorbild dieser Stadt erbaut
hat. Unter drei Namensbezeichnungen ist diese Städtegründung in die Geschichte
eingegangen, als Bēt Lāpāṭ, als Weh-Andiyōk-Šābuhr und als Ğundīsābūr. Die
Neugründung dieser Stadt erfolgte neben einer älteren Stadtanlage, die im syrischen
Sprachgebrauch den Namen Bēt Lāpāṭ12 trug, im Mittelpersischen aber von Šābuhr I.
in Weh-Andiyōk-Šābuhr umbenannt wurde. Weh-Andiyōk-Šābuhr13 wird mit der
Ruinenstätte in der Nähe des modernen Ortes Šāhābād gleichgesetzt, die ca 30 km
östlich des antiken Susa in Ḫuzestān zu finden ist. Weh-Andiyōk-Šābuhr war nicht
nur eine der Hauptstädte Ḫuzestāns, sondern nach al-Masʻūdī14 in der Zeit von
239/40 (241/42) - 309 n.Chr. auch Residenz des großköniglichen Hofes von Šābuhr
I. bis zu Hormezd II. Nach der Eroberung Antiocheias am Orontes siedelte Šābuhr I.
in Weh-Andiyōk-Šābuhr die aus Syrien deportierten römischen Gefangenen, unter
ihnen viele Handwerker und Spezialisten15, an. In Anlehnung an Antiocheia gab
Šābuhr I. seiner Neugründung denselben Grundriss wie er aus Antiocheia bekannt
war. Von daher erklärt sich auch die Übersetzung ihres Stadtnamens: "Besser als
Antiocheia (hat) Šābuhr (diese Stadt [Weh-Andiyōk-Šābuhr] gemacht)"16. Sie

8 H.H.Schöffler, Die Akademie von Gondischapur (1979) 33 Anm. 64.
9 Histoire Nestorienne (Chronik von Séert) 221. - at-Tabari, Annales I, 826,19-827,1; Th.Nöldeke,
Tabari 32-33; 40-41. - C.E.Bosworth, The History of Ṭabarī 29. - al-Jaʻqubī, Historiae 180,1-3. - ad-
Dînaweri, Kitâb al-aḫbâr aṭ-ṭiwâl 48. - Ibn Qutayba, Kitâb al maʻârif 654; 657,7-658,14. - Ḥamza al-
Iṣfahānī, Annales I 49; 52,11-14; versio 38. - al-Maqdisî, Le Livre de la création et de l'histoire III 157;
al-Thaʻâlibî, Histoire des rois des Perses 494; Yaqūt, Dictionnaire géographique, historique et littéraire
de la Perse et des contrées adjacentes II 169f.
10 W.Schwaigert, ibid. 23-25.
11 E.Kettenhofen, Die römisch-persischen Kriege (1982) 132f.: Zeittafel. - In der wissenschaftlichen
Diskussion ist das Datum der ersten Eroberung Antiocheias sehr umstritten: 252 oder 253 n.Chr. -
Für die Datierung 252 n.Chr. sprachen sich u.a. J.-Ch.Balty [Apamée (1986). Nouvelles données sur
l'armée romaine d'Orient et les raids sassanides du milieu du IIIe siècle. In: CRAI (1987) 213-241; hier
228ff.] und D.S.Potter aus [Prophecy and history in the crisis of the Roman empire. A historical Com-
mentary in the thirteenth Sibylline Oracle. Oxford (1990) 290ff.; 338f.], während K.Strobel [Das Impe-
rium Romanum im '3. Jahrhundert'. Modell einer historischen Krise? Stuttgart (1993) 213; 235f. (Histo-
ria Einzelschriften.75.)] und E.Kettenhofen [Die römisch-persischen Kriege des 3. Jahrhunderts n.Chr.
Wiesbaden (1982) 64-102] das Jahr 253 n.Chr. vorziehen.
12 M.Morony, Bēt Lapaṭ. In: EncIr IV,2(1989) 187-188. - W.Sundermann, Studien zur kirchenge-
schichtlichen Literatur der iranischen Manichäer II. In: AltorF 13(1986) 301; 303.
13 R.McC.Adams/D.P.Hansen, Archaeological Reconnaissance and Soundings in Jundī Shāhpūr. In:
Ars Orientalis 7(1968) 53-70. - Anschließend der Appendix von N.Abbott: Jundī Shāhpūr: A prelimi-
nary Historical Sketch S. 71-73 - mit dem Übersetzungsvorschlag von R.N.Frye für Weh-Andiyōk-
Šābuhr auf S. 71 Anm.1.
14 Nach Ḥamza al-Iṣfahānī (Annales 52) sei Ğundīsābūr von ca. 309-339 königliche Residenzstadt
Šābuhrs II. gewesen.
15 S.N.C.Lieu, Captives, Refugees and Exiles: A Study of Cross-Frontier Civilian Movements and Con-
tacts between Rome and Persia from Valerian to Jovian (1986) 475-505; hier 481ff. - W.Schwaigert,
ibid. (1989) 19f.; 24f; 26f. - E.Kettenhofen, Deportations. II. In the Parthian and Sasanian Periods. In:
EncIr VII,3(1994) 297-308; hier 298.
16 J.Wiesehöfer, Gundeschapur. In: Der Neue Pauly V(1998) 10. - Ph.Huyse, ŠKZ 2(1999) 157. -
R.Gyselen hält es für möglich, dass die Münzstätte IV wegen ihres neuen Münztyps und Münzstils mit
Weh-Andiyōk-Šābuhr oder Bīšābuhr, den neuen Städtegründungen Šābuhrs I., in Verbindung ge-
bracht werden können. s. M.Alram/R.Gyselen, Ardashir I. - Shapur I. (2003) 286.
Anonyma*, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians
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entwickelte sich zu einem bedeutenden kulturellen Zentrum und errang durch ihre
medizinische Akademie, deren Grundstock bekanntlich auf Šābuhr I. zurückgeht,
eine im 4. Jahrhundert n.Chr. über das Sāsānidenreich17 hinausgehende Bedeutung.
Unter ihrem dritten Namen Ğundīsābūr, den die arabischen Quellen überliefern, er-
langte diese Stadtgründung Šābuhrs I. in islamischer Zeit ihren größten Bekannt-
heitsgrad als weit über die Grenzen anerkannte Akademie für Medizin. Der Name
Ğundīsābūr lässt sich von dem arabischen Wort ğund in der Bedeutung von "Heer"
zurückführen und kann mit "Platz der Armee Šābuhrs" übersetzt werden. Dagegen
dürfte Ibn al-Qifṭīs Etymologie von Ğundīsābūr wohl eher auf eine Legende zurück-
gehen, die Ğundā, den vermeintlichen Eigentümer dieses Stadtgebietes, als Na-
mensgeber ansieht.
Schon vor Ibn al-Qifṭī überliefert al-Maqdisī (10. Jahrhundert n.Chr.)18, dass die von
Šābuhr I. deportierten Gefangenen aus den Kriegszügen gegen das römische Reich
die griechische Medizin in Ḫuzestān und Fars verbreitet hätten. Bar Hebraeus nimmt
sogar an, dass die Leibärzte der Tochter Kaiser Aurelians für die Ausbreitung der
griechischen Medizin nach der Lehre des Hippokrates verantwortlich seien. Wenn
auch diese Berichte die ununterbrochene medizinische Tradition in Ğundīsābūr her-
vorheben wollen, so scheint mir die Ausbreitung der griechischen Medizin durch die
große Zahl der deportierten Gefangenen der drei Kriegszüge Šābuhrs I., unter denen
sich viele Christen, Handwerker und Spezialisten befanden, durchaus glaubwürdig zu
sein.
Im Hinblick auf die erwähnte Kaisertochter ist festzuhalten, dass von dieser Heirat mit
Šābuhr I. weder in den Primär- noch in den Sekundärquellen die Rede ist. Allein zwei
Vertreter der dritten Tradition aus dem 13. Jahrhundert, Ibn al-Qifṭī und Bar
Hebraeus, geben vor, von diesem Ereignis Kenntnis zu haben. Verdächtig ist ferner,
dass angesichts eines solchen spektakulären Ereignisses an sich auch jegliche per-
sonengeschichtlichen Angaben zur Kaisertochter fehlen. Es handelt sich hier um
eine sehr problematische Überlieferung, die als unglaubwürdig anzusehen ist. Des
Weiteren ist von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen zwischen Šābuhr I.
und den Kaisern Valerian und Aurelian19 die Rede, von denen die Quellen nichts be-
richten. Ferner dürften beide Kaiser dem Erzfeind des römischen Reiches wohl kaum
ihre Tochter zur Ehe überlassen haben.


L:
Quellen:
Ibn al-Qifṭī, ʻAlī Ibn Yūsuf: Ibn al-Qifṭī's Ta'rīḫ al-ḥukamā'. Auf Grund der Vorarbeiten Aug. Müller's
hrsg. von J.Lippert. Leipzig (1903) 132,17-133,17. - A.Dietrich, Ibn al-Qifṭī. In: Encyclopaedia of Is-
lam, new Edition, III(1986) 840.


17 H.H.Schöffler, Die Akademie von Gondischapur (1979) 33 Anm. 64.
18 Le Livre de la création et de l'histoire III(1903) 157,1-3 [arab.]; 161,1-6 [franz.].
19 Einziger Nachkomme Aurelians soll eine anonym gebliebene Tochter aus der Ehe mit Ulpia Seve-
rina gewesen sein. Deren Kinder hätten nach dem wenig zuverlässigen Bericht des Ps.-Vopiscus in
Rom gewohnt (Historia Augusta A 42,1; 50,2). - s. E.Groag, Domitius (36). In: RE V 1(1903) 1355. -
K.Strobel, Ulpia Severina Augusta. Eine Frau in der Reihe der illyrischen Kaiser. In: Les empereurs il-
lyriens. Actes du Colloque de Strasbourg (11-13 octobre 1990), organisé par le Centre de Recherche
sur l'Europe Centrale et Sud-Orientale. Ed. par E.Frézouls/H.Jouffroy. Strasbourg (1998) 119-153;
hier 120 und Anm. 5.(Contributions et Travaux de l'Institut d'Histoire Romaine.8.) - Ebenso legenden-
haft mutet die Überlieferung des Zonaras (XII 27; S. 607,6-11) an, nach der Kaiser Aurelian eine der
Töchter der palmyrenischen Königin Zenobia geheiratet habe.
Anonyma*, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians
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Barhebraeus: Ktābā d-maktbānūt zabnē d-sīm l-mār(y) GRYGWPYWS bar ʻebrāyā. Gregorii
Barhebraei Chronicon Syriacum e codd. Mss. emendatum ac punctis vocalibus adnotationibusque
locupletatum. prys. 'pṣ. [Ed. P.Bedjan]. Paris (1890) 57,11-15.
E.A.W. Budge, The Chronography of Gregory Abū 'l-Faraj ... Commonly Known as Bar Hebraeus.
Vol. 1. English Translation. London (1932) 56. - Repr. London 1976.

Bar Hebraeus, Taʼrīḫ muḫtaṣar ad-duwal. Hrsg. von Anṭūn Ṣalḥānī. Beirut 1890. - Repr. Beirut (1958)
76,16-20.

Histoire Nestorienne (Chronique de Séert). Première Partie (I). Texte arabe avec traduction fran-
çaise par A.Scher. Paris 1908. - Repr. Turnhout (1971) 221. (Patrologia Orientalis. IV,3.)

aṭ-Ṭabarī: at-Tabari, Annales. Cum aliis edidit M.J. de Goeje. Prima series. II. Recens. J.Barth et
Th.Nöldeke. Lugduni Batavorum I(1881) 826,19-827,1; 830,14-831,7. - Dt. Übers.: Th.Nöldeke, Ge-
schichte der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der arabischen Chronik des Tabari. Ley-
den (1879) 32f.; 40f. - Repr. Graz 1973. -
Engl. Übers.: The History of al-Ṭabarī (Taʼrīkh al-rusul waʼl-mulūk): The Sāsānids, the Byzantines, the
Lakhmids and Yemen. Transl. and Annotated by C.E.Bosworth. Albany, N.Y. (1999) 29; 38. (The
History of al-Ṭabarī.V.)

Nihāyatu ʼl-irab fi aḫbāri ʼl-Furs wa ʼl- ʻArab: Some Account of the Arabic Work entitled "Niháyatu ʼl-
irab fi akhbári 'l-Furs wa 'l-ʻArab", particularly of that Part which Treats of the Persian Kings. By
E.G.Browne. In: Journal of the Royal Asiatic Society (1900) 195-259; hier 220.

al-Maqdisī, Muṭahhar ibn Ṭāhir: Motahhar ben Ṭâhir el-Maqdisî, Le Livre de la création et de
l'histoire. Publ. et traduit par M.Cl.Huart. T. III. Paris (1903) 157,1-3 [arab.]; 161,1-6 [frz.].

al-Yaʻqūbī, Aḥmad ibn Wāḍiḥ: Ibn-Wādhih qui dicitur Al-Jaʻqubī, Historiae. Pars prior. Historiam
ante-Islamicam continens. Ed. indicesque adjecit M.Th.Houtsma. Lugduni Batavorum (1883) 180,1-3.

ad-Dīnawarī, Abū Ḥanīfa: ad-Dînaweri, Abû Ḥanîfa, Kitâb al-aḫbâr aṭ-ṭiwâl. Vol. I. Text. Publ. par
V.Guirgass. Leide 1(1888) 46.

Ibn Qutaiba, Abū Muḥammad ʻAbdallāh: Ibn Qutayba, Kitâb al-maʻârif. Edition critique avec intro-
duction sur l'auteur par S.Okacha. Le Caire (1960) 654,7-12.

Ḥamza al-Iṣfahānī, Abū ʻAlī b. al-Ḥasan: Hamzae Ispahanensis Annalium Libri X. Edidit I.M.E.
Gottwaldt. Tom. I. Textus Arabicus. Petropoli, Lipsiae 1(1844) 49. - Translatio Latina. Tom. II. Lip-
siae (1848) 35. -
The Annals of Ḥamzah al-Iṣfahānī. Transl. from Arabic by U.M.Daudpota. In: Journal of the
K.R.Cama Oriental Institute 22(1932) 95f.

At-Taʻālibī, Abū Manṣūr: al-Thaʻâlibî, Histoire des rois des Perses. Texte arabe, publié et traduit par
H.Zotenberg. Paris (1900) 494.

Yāqūt, Dictionnaire géographique, historique et littéraire de la Perse et des contrées adjacentes ex-
trait en traduction française. Avec quelques textes originaux, du Moʼdjem el-Bouldân, dictionnaire des
pays, de Ibn Abdallah el-Roumi el-Hamawi Yaqout, 1179-1229 A.D. et complété à l'aide de documents
arabes et persans pour la plupart inédits avec une préface analytique et des notes critiques par C.
Barbier de Meynard. Paris II(1861) 169f. - Repr. Amsterdam 1970.

Ğundīšābuhr/Weh-Andiyōk-Šābuhr/Bēṭ Lāpāṭ:
E.Kettenhofen, Römer und Sāsāniden in der Zeit der Reichskrise, 224 - 284 n.Chr. Wiesbaden 1982.
(Tübinger Atlas des Vorderen Orients - Karte B V 11). - id., Das Sāsānidenreich. Wiesbaden 1993.
(Tübinger Atlas des Vorderen Orients - Karte B VI 3).
Io. Henr. Schulzit. [= Schulze], De Gandisapora Persarum Quondam Academia Medica Observatio
Historica. In: Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae (Imperatorskaja Akade-
mija Nauk, Sankt-Peterburg) 13(1741/43[1751]) 437-458. - Th.Nöldeke, Geschichte der Perser und
Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus der arabischen Chronik des Tabari. Leyden (1879) 40-42; 41f.
Anm. 2. - Repr. Graz 1973. - G. Le Strange, The Lands of the Eastern Caliphate. Mesopotamia, Per-
sia, and Central Asia from the Moslem Conquest to the Time of Timur. Cambridge (1905) 238. - Repr.
Cambridge 1976. - B.Ebermann, Meditschinskaja schkola Džundisapure. In: Zapiski Kollegii
Anonyma*, Tochter Kaiser Valerians/Aurelians
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Vostokovedov pri Aziatskom Muzee Akademii Nauk SSR (Aziatskij Muzej Leningrad/Kollegija
Vostokovedov, Leningrad) [Veröffentlichungen des Kollegiums der Orientalisten beim Asiatischen
Museum der Akademie der Wissenschaften der UdSSR] 1(1925) 47-72. - Rés. in: W.Ebermann, Be-
richt über die arabischen Studien in Russland während der Jahre 1921-1927. In: Islamica 4(1930)
121-158; hier 147-149. - G.Sarton, Introduction to the History of Science. Vol. 1: From Homer to
Omar Khayyam. Baltimore (1927) 435f. - Repr. 41968. - J.Markwart, A Catalogue of the Provincial
Capitals of Ērānšahr (Pahlavi Text, Version and Commentary). Ed. by G.Messina. Roma (1931) 98, §
48. (Analecta Orientalia.3.) - E.Honigmann/A.Maricq, Recherches sur les Res Gestae Divi Saporis.
Bruxelles (1953) 21f. und Anm. 1; 46 Anm. 3.(Mémoires de l'Académie Royale de Belgique, Classe
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